Ein Workshop als Erlebnis

 

Der Vogelwart in Portugal.

Hervorragend! So und nicht anders, und das in jederlei Hinsicht, kann man die vergangenen fünf Tage zusammenfassen, die mir im Naturpark Noudar zu verbringen vergönnt war. Sowohl wissenschaftlich als auch landschaftlich als auch kulinarisch als auch sozial als auch… war unser Workshop ein Highlight! Mein Madrider Chef Miguel Araújo hatte dieses Treffen initiiert mit dem Ziel, in ungezwungener Atmosphäre den unter dem Titel “A New Research Agenda for Palaeoecology and Macroecology” zusammengefassten Themenkomplex zu bearbeiten und v.a. zu diskutieren, darüber hinaus das gegenseitige Kennenlernen zu ermöglichen und zu fördern sowie das Ganze schließlich als Naturerlebnis zu gestalten, damit gerade die “Computerökologen”, als die man Makroökologen zumeist treffend bezeichnen kann, auch mal erfahren, was das eigentlich ist, das sie an ihren Rechnern und mit ihren statistischen Analysen zu erklären versuchen. Eine chronologische Wiedergabe verbietet sich hier meiner Ansicht nach aus Platz- und Langweilungsgründen, stattdessen will ich dem interessierten Leser in Form eines eher thematisch strukturierten Textbeitrags einen Einblick in die letzten fünf Tage geben.

Naturerlebnis

Unsere Zusammenkunft fand inmitten der einmaligen Naturlandschaft des Parque de Noudar statt – gelegen an der portugiesisch-spanischen Grenze. Als Unterkunft diente uns ein perfekt ausgestattetes Haus, das wohl mit EU-Mitteln diesen Status erlangte, wie mir berichtet wurde. Neuestes Ikea-Mobiliar, ordentlich renovierte Bäder, gemütliche “Sozialräume”, üppige Sonnenterrassen und zu allem Überfluss ein Spitzen-Zeiss-Spektiv, von dessen Vorhandensein wir allerdings erst am letzten Abend in Kenntnis gesetzt wurden, so dass es nicht mehr zur Vogelbeobachtung eingesetzt werden konnte. Lediglich auf frische Frühlingstage schien man nicht so recht vorbereitet zu sein – die Heizkapazitäten ließen durchaus zu wünschen übrig, was angesichts der Temperaturen von unter 10 Grad abends und nachts eine negative Fußnote darstellte.

Für alle Ornithologen und Birdwatcher unter uns hatte die Landschaft auch einiges zu bieten – angeblich kommen ca. 200 Vogelarten vor. Da wir allerdings die meiste Zeit tagsüber in unserem Tagungsraum saßen, und eine lange gemeinsame Wanderung naturgemäß wenig Raum zum Vogelsuchen lässt, bietet meine Liste lediglich eine Zahl von 40 bestimmter Vogelarten. Darunter gab es vier Lifer, also Arten, die ich zum ersten Mal sah: Schlangenadler, Zwergadler, Rötelschwalbe und Einfarbstar. Botanisch Interessierte wären ebenfalls auf ihre Kosten gekommen – zahlreiche blühende Blumen (Iris, Natternkopf, Korbblütler in weiß und gelb) und Sträucher (5 verschiedene Cistrosen-Arten, Ginster) überraschten durch ihre – frei nach Loriot – farbenfröhlich Frische. Felsen, Dickichte, eisvogelbefischte Flusstäler mit Quakfröschen, Wasserhahnenfuß und ausgedehnten, flussregenpfeiferbebrüteten Sandbänken, Korkeichenwälder, blütenreiche Wiesen und Weiden waren die wichtigen Landschaftsbestandteile – die Bilder im meinem Noudar-Ordner auf www.fotouristen.de vermitteln hoffentlich einige Eindrücke von der Schönheit der Landschaft.

 

Sternstunden wissenschaftlichen Austauschs

Vom wissenschaftlichen Blickwinkel her bestand das Ziel des Workshops im wesentlichen darin, zwei Fragen zu beleuchten:

  1. Wie können fragmenthafte Informationen über die Vergangenheit helfen, die Zukunft vorauszusagen?
  2. Wie können uns aktuelle Verbreitungen [von Tier- und Pflanzenarten] Informationen über die Vergangenheit geben, um so bei der realistischen Vorhersage der Zukunft zu helfen?

Diese Fragen wurden auf verschiedener Ebene angegangen – sowohl aus disziplinär verschiedenen Richtungen als auch auf verschiedenen Fortschrittsniveaus. Vertreter aus drei unterschiedlichen Feldern, namentlich aus Paläobotanik und Paläontologie, Makroökologie mit einschlägiger biologisch-zoologischer Basis sowie eher statistisch-theoretisch orientierter Makroökologie hatten sich in Portugal eingefunden. Auch “Fortschrittsniveaus” können in drei Kategorien unterteilt werden: Doktoranden, die z.T. gerade erst ihre Projekte beginnen und jene präsentierten, Postdocs, die sich nach ihrer Promotion in verschiedenen Feldern zu profilieren versuchen und neue Konzepte und Ideen vorstellten, sowie gestandene Wissenschaftler, die über die so heiß begehrten “permanent positions” verfügen und mit einem reichen Erfahrungsschatz eine Synthese bekannten Wissens versuchten und daraus hochinteressante neue Forschungslinien, -richtungen und -ideen ableiteten. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, war dieser Austausch der verschiedenen Disziplinen und Erfahrungslevels außerordentlich fruchtbar, und weil den Diskussionen erfreulich viel Raum eingeräumt wurde, konnten – wie sonst selten bei Konferenzen und meetings – gerade im an die Vorträge anschließenden Gespräch viele neue Gedanken entwickelt und Debatten auch zu Ende geführt werden. Die durchaus kühle (vgl. bereits angesprochenes Heizproblem) Raumatmosphäre wurde hierbei oft ausgeglichen durch die zwar hoch sachlich-argumentativen, aber ebenso hitzigen und spannenden Diskussionen zwischen den drei “senior scientists” Miguel Araújo, Carsten Rahbek und Alexandre Diniz-Filho. Wenn sich auch die “junior scientists” dabei gelegentlich etwas abgehängt fühlten, so vermittelten die drei Herren eindrücklich, wie was ein intensiver wissenschaftlicher Austausch sowohl an Unterhaltungs- als auch Wissensvermittlungswert zu bieten hat.

Regionalkulinaria

Da das ganze Haus- und Parkkonzept in Richtung Ökotourismus mit starkem regionalem Touch gedacht ist, wurde uns insbesondere allabendlich in hervorragender Art und Weise die Qualität regionaler Produkte vor Augen bzw. in Magen geführt. Einige Highlights waren der butterzarte, pflaumengefüllte Schweinebraten mit Rosmarinkartoffeln und Butter-Sahnewirsing, gesalzener Dorsch in Gemüsesuppe, Grillfleisch mit Knoblauchbutterkartoffeln, ein deftiger Eintopf mit viel durchwachsenem Fleisch und kräftigen Würsten, kreativ-leckere und gleichsam sündhaft süße Pudding-, Obst- und Käse-haltige Desserts und guter portugiesischer Wein zu ordentlichem Preis.

International-Soziales

Sieben Nationen von Asien über Europa bis Amerika hatte unser kleiner Workshop aufzubieten (Dänemark, Deutschland, Brasilien, Portugal, Spanien, Mexiko, Indien/England). So kam man nicht umhin, den einen oder anderen Nationenwitz, zumal beim Abendessen, zum besten zu geben. Ich bemühte mich hierbei durchaus, dem einen oder anderen Klischee über die Deutschen nachzukommen, obwohl ich z.B. mit Pünktlichkeit gar nicht so viel am Hut habe…

Aufregend war das beinah tägliche nächtliche Pokerspiel, bei dem ich zwei Mal haushoch verlor und ein Mal haushoch gewann. Schade, dass es nicht um Geld ging. Außerdem wurden am letzten Abend von den spanischen und mexikanischen Kolleginnen zunächst dänische Zahlen von eins bis zehn trainiert, danach durfte ich ihnen diese Ziffern noch auf deutsch beibringen, wobei wir in der Tat unheimlich viel Spaß hatten. Auch die lange Wanderung, die wir an Fluss, durch Gebüsch, Wiesen und Fels unternahmen, verstärkte positiv den Zusammenhalt der Gruppe, auch wenn die brasilianischen Statistikspezialisten am Schluss froh waren, einem Herzinfarkt entgangen zu sein.

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