Wir haben die Wahl

Ein Plädoyer für Richtung, Haltung und eine solidarische Gesellschaft

Am kommenden Sonntag ist auch diese Wahl vorbei. Oder besser gesagt diese Wahlen – schließlich wird sowohl bundesweit als auch in Hessen gewählt, wo ich seit bald zweieinhalb Jahren wahlberechtigt bin. Und zum ersten Mal war dies auch mein Wahlkampf: Flyer verteilen, Hausbesuche, Infostände – für meine Partei, für Landtags– und für Bundestagskandidaten. Was mir statt simpler Parteipolitik hier, kurz vor dem Öffnen der Wahllokale aber am Herzen liegt, sind einige grundsätzliche Gedanken dazu, wie dieses Land in Zukunft regiert werden sollte.

Weniger Verwaltung, mehr Haltung!

Es gibt zwei ganz klare Alternativen in dieser Bundestags- und auch in der hessischen Landtagswahl. Entweder ein "Weiter so!" der Konzept-, Ideen- und Richtungslosigkeit, oder aber ein Neustart mit klaren Vorschlägen und Ideen. Freilich geht es mir auch um die Inhalte – mehr Bildungsinvestitionen, Mindestlohn, eine ernsthafte Energiewende sind nur drei Beispiele für ebensolche Inhalte, die aber ganz abgesehen von der konkreten Ausgestaltung ein gemeinsames Ziel eint: eine besseres, gerechteres Gemeinwesen, über Generationen hinweg. Für dieses Ziel werben die drei Oppositionsparteien in verschiedenen Nuancierungen. Der Regierung aus CDU, CSU und FDP werfe ich einerseits vor, dass sie angesichts von Pauschalzahlen (BIP, Exporte, Beschäftigtenzahlen) Deutschland schönredet und über viele himmelschreiende Probleme vieler Menschen ignorant hinwegsieht. Das geht vom Pflege- über den Bildungsnotstand bis hin zur Kinder- und (vielfach drohenden) Altersarmut, um nur wenige Beispiele zu nennen. Doch vor allem haben Merkel, Bouffier und Co. keinen Kompass, kein Konzept, wo das Land und seine Bevölkerung hin soll. Da geht es, Peer Steinbrück hat ganz recht, im Schlafwagen im Kreisverkehr. Das Kanzlerinnen-Argument für ihre Wiederwahl, "Sie kennen mich", im Fernsehduell spricht Bände, ebenso wie Brüderles Hinweis "Wer Merkel will, wählt auch FDP!". Welch Armutszeugnis. Wir brauchen Richtung, wir brauchen Klartext. Nein, da geht es nicht um "Basta", sondern um konkrete Vorschläge, an denen sich die politischen Mitbewerber abarbeiten können und die das Ringen um die richtigen Entscheidungen ermöglichen. Und das ist dann letztendlich auch eine Frage von Haltung! Weniger Verwaltung, weniger Aussitzen – das ist nur möglich mit einer anderen Regierung.

Mehr Wir, weniger Ich!

"Wenn jeder an sich denkt, ist doch an alle gedacht." So geht das Hohelied der Partikularinteressen. Es ist aber nur sehr begrenzt richtig, denn wo die Stärkeren ihre Interessen skrupellos durchsetzen – sei es durch demokratische Mehrheitsfindung oder durch Ellenbogen-Lobbyismus – sind die Schwächeren die Gelackmeierten. Die deutsche Politik der vergangenen vier Jahre ist eine des Stillstands, und wo sich doch ein Rädchen drehte, dann für Interessen einiger Weniger zum Nachteil Vieler. Nur ein Beispiel: Statt versprochener großer Reform für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem gab es eine Partikularsteuersenkung für Hoteliers. Herzlichen Glückwunsch, Familie Mövenpick! Natürlich verstehe verstehe ich jeden, der an seine eigene Zukunft denkt und hofft, dass politische Entscheidungen ihm nicht zum Nachteil gereichen. Aber wo soll es denn hingehen mit einer Gesellschaft, in der nur nach der eigenen Befindlichkeit, nach der eigenen Kassenlage gewählt wird!? Klar, auch ich finde ich es zunächst ärgerlich, wenn eine Gehaltserhöhung zu mehr als 60% durch die sogenannte kalte Progression aufgefressen wird. Aber sollte man dann nicht einen Moment lang innehalten und sich fragen, ob es einem nicht trotzdem noch immer gut geht, und womöglich sogar ein wenig besser als vorher? Die vom Regierungslager betriebene Verteufelung der von SPD, Grünen und Linke vorgeschlagenen Steuererhöhungen passt genau in dieses Bild. Also mal ernsthaft: Wenn ich im Monat 6900 Euro brutto verdienen würde, würde mir da eine Mehrbelastung von 102 Euro pro Jahr, also von 8,50 Euro im Monat was ausmachen? Nein, würde es nicht. Und schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass dieses Geld für gesamtgesellschaftlich wichtige Dinge investiert werden soll, von denen auch die Gutverdienenden wiederum profitieren würden, z.B. von Bildungsinvestitionen, von besserer Infrastruktur, von einer ordentlichen Energiewende oder vom Schuldenabbau. Wir brauchen mehr Gemeinwohl, weniger Individualismus. Kurz: Mehr Wir, weniger Ich!

Wir haben die Wahl: Einerseits eine aussitzende, abwartende, machterhaltende Kanzlerin, die nicht im Traum daran denkt, von der Richtlinienkompetenz, die ihr das Grundgesetz gewährt, Gebrauch zu machen; dazu ein überflüssiger, gar peinlicher Rest einer einst stolzen liberalen Partei sowie eine CSU, die Lokalpopulismen über gesamtdeutsche Interessen zu stellen pflegt. Andererseits ein derzeit in der Opposition befindliches Angebot aus guten Konzepten und Ideen für eine solidarische Gesellschaft. Ich habe meine Wahl schon getroffen. Und Sie?

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2 Kommentare

  1. In vielen Punkten Übereinstimmung, nicht aber mit der “Entweder-oder”-Schlussfolgerung. Man hat noch eine andere Wahl. Nämlich die, den unauffälligeren Stimmen in der Politik, welche nicht den zwei Mainstream-Blöcken zuzuordnen sind, zu Aufmerksamkeit und Gehör zu verhelfen. Schaut Euch um, welche politischen Einstellungen es abseits von Mutti Merkel und Polterpapi Peer noch gibt. Eventuell sind da welche dabei, welche Eurer inneren Stimme noch mehr zusagen. Auch der politische Mainstream steht kurz vor der konzeptionellen Versteinerung – wie auch in der Kunst kommt die Entwicklung aus dem Underground!

  2. …und wieder mal gehen die Stimmen der Nachdenkenden im allgemeinen Demokratie-Stumpfsinn unter! Daher bin ich auch gegen mehr Volksentscheide! Die Masse ist viel zu sehr manipulierbar – siehe Schweiz, wo der Populismus die tumben Volksmassen vor sich hertreibt…

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