Prinzipienlos, ziellos, wertlos

Ob das Prism-Thema – immerhin der wohl größte Spionage-Skandal zumindest seit ich denken kann, wenn nicht sogar überhaupt – wirklich für Wahlkampf taugt, wird sich zeigen. Jedenfalls offenbart es exemplarisch das größte Defizit der Bundeskanzlerin und damit der derzeitigen Regierung: Die organisierte Prinzipienlosigkeit.

Peer Steinbrück zitiert gerne den ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden und Verteidigungsminister Peter Struck (der leider nicht mehr unter den Lebenden weilt). Letzterer sagte einmal sinngemäß über Frau Merkel, er fliege zwar gerne mit ihr in einem Flugzeug, wenn er sicher irgendwo hinkommen wolle, denn technisch könne sie das Ding wohl ganz gut durch die Luft steuern. Wenn man aber wissen wolle, wohin man denn gelange, sei man mit der Dame auf dem falschen Dampfer (oder im falschen Flieger), denn man wisse nie, wo man mit Angela Merkel lande. Und gerade jetzt zeigt sich ebendies wieder: Die Regierungschefin hat kein Ziel, wohin sie Deutschland steuern möchte, geschweige denn Werte oder Prinzipien, die sie dabei leiten.

Der NSA-Skandal bietet sich hier aktuell als Beispiel an. Mal ganz abgesehen davon, dass täglich fraglicher wird, ob die Regierung mitsamt ihrer Chefin (in deren Kanzleramt freilich der Geheimdienstkoordinator sitzt) nicht doch schon früher von allem wusste. Was hier deutlich wird, ist, dass es den Parteien mit dem C im Namen Wurscht ist, ob die von der Verfassung garantierten Grundrechte aller Bürger mit Füßen getreten werden oder nicht. Nur kurz zur Erinnerung: Der amerikanische Militägeheimdienst greift en gros Internetdaten und dergleichen der deutschen Bevölkerung ab – ohne Genehmigung, und (angeblich!) ohne Wissen der entsprechenden Regierungsinstitutionen. Und Bundesinnenminister Friedrich (qua Amt Verfassungsminister!) stellt sich hin und verteidigt diesen massenhaften Grundrechtsbruch als notwendig zur Terrorbekämpfung, z.B. zur Verhinderung von 50, ach nee, doch nur 45 Anschlägen, oder vielleicht doch nur frühen Anschlagsplanungen, wenn es denn überhaupt solche waren. Frau Merkel assistiert derweil im jüngt erschienenen ZEIT-Interview, man solle doch vor allem daran denken, dass Amerika viel für uns getan habe. Man beachte: Die Kanzlerin und ihr Innenminister sind Vertreter derjenigen "Law- and Order"-Parteien, die durch die Lande ziehen mit dem Slogan "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein".

Das Versagen der Regierung hat Sascha Lobo in seiner SPON-Kolumne hervorragend auf den Punkt gebracht: "Merkel schafft die Gültigkeit von Law and Order ab – jedenfalls, wenn Recht und Gesetz nicht nach unten gegen Asylbewerber oder Arbeitslose durchgesetzt werden müssen. Sondern nach oben gegen den mächtigsten Geheimdienst der Welt." Und ebenso richtig, ganz plakativ als headline: "Merkel und Friedrich gefährden unsere Rechte". Was ist das also anderes als eine Verletzung des Amtseides der Kanzlerin, "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden", wie Peer Steinbrück zurecht zu Bedenken gab!? Jürgen Trittins Bild von den drei Affen ist da fast noch eine Verharmlosung.

Den Exponenten der schwarzgelben Koalition fehlt es an Prinzipien, an Werten, an Rückgrat. Merkels ZEIT-Interview liefert hierfür übrigens weitere Belege: Auf die Frage "Gibt es noch Prinzipien, an die Sie sich halten wollen und an denen wir Wähler Sie messen können?" fallen der Kanzlerin, mithin Vorsitzende der selbsterklärten Wertepartei CDU, lediglich die "Erfordernisse des Rechtsstaats“ und die "Leitplanken des Grundgesetzes, dessen Werten wir uns verpflichtet fühlen" ein. Was für ein Armutszeugnis! Besonders angesichts der oben dargelegten Tatsache, dass die Regierung gerade diese Leitplanken derzeit mit Füßen tritt!

Keine Ziele, keine Werte, keine Ideen – am 22. September hat das Wahlvolk die Möglichkeit, der Regierung zu zeigen, was davon zu halten ist. Es wird Zeit für einen Wechsel.

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