Längere Tische, weniger Zäune – Flüchtlinge willkommen!

Angesichts der Debatte über die Flüchtlingsthematik und insbesondere der Bemerkungen diverser CSU-Granden sehe mich veranlasst, einmal kurz aus meiner Blog-Lethargie auszubrechen und ein paar Worte zur Lage zu verlieren.

Markus Söder, bayerischer Finanzminister, noch besser bekannt als Hochleistungs-Dampfplauderer, warnt heute: "Wenn in diesem Jahr mehr Menschen zuwandern, als hier geboren werden, wirkt sich das auf die kulturelle Statik einer Gesellschaft aus." Was hier so bedenkenträgerisch daherkommt, ist für mich einmal mehr eine wohlverpackte Warnung vor dem Untergang des christlichen Abendlandes, ganz im Duktus der Debatten zu Leitkultur oder Überfremdung. Das pflichtgemäße Lob aus aller Munde für das übergroße Engagement breiter Bevölkerungsschichten für die Unterstützung der Flüchtlinge, welches auch Söder zu Protokoll gibt, wird mit einer solchen Äußerung vollkommen konterkariert: "Schön, dass ihr helft, aber eigentlich ist’s ein Schmarrn, was ihr macht – weil’s unserer Kultur zum Schaden gereicht".

Und Horst Seehofer fällt nichts besseres ein, als dem ungarischem Ministerpräsidenten Orban die Hand zu reichen für die Erörterung gemeinsamer Lösungen. Seehofer hat sich ja kürzlich im Sommer-Interview des ZDF hinlänglich selbst zum Thema disqualifiziert – insofern sind fehlgehende Äußerungen seinerseits keine Überraschung – ebensowenig wie bei Söder. Aber Orban? Warum lädt er nicht gleich noch die Französin Marine Le Pen oder führende Vertreter der dänischen Volkspartei ein!? Der Chef der christlich-sozialen (sic!) Union stellt sich mit der Einladung von "Europas wohl umstrittenstem Staatschef" (so der Deutschlandfunk) ganz weit rechts und damit vollkommen abseitig einer ernstzunehmenden Debatte über die Bewältigung der in der Tat großen Herausforderungen. Gerade angesichts der im Parteinamen geführten Eigenschaften ("christlich – sozial") sollte man, wäre man nicht ohnehin nicht gänzlich anderes gewöhnt, von Vertretern der CSU doch eigentlich erwarten, dass sie der Kanzlerin beispringen, wenn sie sich so besonnen zur Thematik äußert wie neulich auf die Frage nach der drohenden Islamisierung Deutschlands. Ich stimme Frau Merkel selten zu, aber hier hat sie meine volle Unterstützung, wenn sie sagt, dass (a) uns doch niemand daran hindert, uns zu unserer Religion zu bekennen und auf dieser Basis in einen Dialog mit anderen Religionen zu treten und dass (b) die Europäer angesichts ihrer Geschichte überhaupt keinen Grund haben zu größerem Hochmut gegenüber anderen Kulturen. Und wenn Angela Merkel sagt, dass das Grundrecht auf Asyl keine Obergrenze kenne, dann gebührt ihr auch dafür Beifall.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel geht noch einen Schritt weiter, was ich begrüße: Man könne die Flüchtlinge auch als Chance begreifen! Doch nicht nur beim Fachkräftemangel (den der Wirtschaftsminister qua Amt betonen muss) mag der Flüchtlingszustrom als Chance begriffen werden. Er führt uns auch vor Augen, dass wir nicht abgekoppelt sind von den Krisen, die fernab in fremden Weltregionen um sich greifen, sondern dass auch wir Teil einer Welt sind und dass wir häufig gar maßgeblich Verantwortung tragen für die Auslöser von Flucht und Vertreibung! Nutzen wir die Chance, uns dessen bewusst zu werden und ernsthaft nachhaltige Lösungen der Probleme anzugehen.

Und den Herren Seehofer, Friedrich und Söder aus dem wohlhabenden, erfolgreichen Freistaat Bayern sei einmal mehr entgegengehalten, was auf Twitter und facebook dieser Tage gottlob so häufig zu lesen ist:

"Wenn Du mehr hast, als Du brauchst, baue einen längeren Tisch. Keinen höheren Zaun."

#RefugeesWelcome

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