Herr Minister, Sie haben versagt. Ein Kommentar zum Rücktritt von Udo Corts.

Hessens Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, hat seinen Rücktritt zum Ende der Legislaturperiode erklärt. Die Hochschulen des Landes atmen auf, Studierendenvertreter betonen, ihre Proteste seien der Auslöser für den Abtritt, und die hessische Politik verliert einen ihrer unfähigsten Akteure. Und während die Frankfurter Rundschau sich nicht zu mehr hinreißen ließ als zu einem Interview und einem windelweichen Kommentar, bin ich gerne bereit, deutlicher Stellung zu beziehen: Es wird Zeit, dass er geht – zum Wohle der Hochschulen, der politischen Kultur und von Bildung, Wissenschaft und Forschung in Hessen!

Dass Udo Corts nicht wirklich gerne Wissenschaftminister werden wollte, hat nicht nur jeder gemerkt, der ihn im Amte erlebt hat, nein, er hat es auch angeblich einmal selbst zugegeben, dass er viel lieber Chef des Innenministeriums geworden wäre. Nun denn, schließlich bekam er doch das Hochschulressort, und was hat er dort getan? Nicht wenig, v.a. allem aber nichts Gutes, wovon ich hier aus Platzgründen nur eine kleine Auswahl präsentieren kann.

Demokratie an der Hochschule

Für Corts ein Fremdwort. Seine Novellierungen des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG) strotzten nur so von Entmündigungen der zumindest halbwegs demokratisch legitimierten Gremien (Senat, Fachbereichsräte…) und einer Machkonzentration auf Dekanate und die Hochschulpräsidien. Hierzu mein Standpunkt in aller Kürze: Entscheidungen werden nicht besser, wenn sie von weniger Personen getroffen werden und wenn große Gruppen der Hochschulen außen vor bleiben! Im übrigen werden sie auch nicht zwangsläufig schneller: Immer noch sind Fachbereichs- und Hochschulleitungen offenbar nicht in der Lage, effizient miteinander zu kommunizieren und behindern so wichtige Entscheidungen, bleiben wichtigste Berufungsverfahren jahrelang in der Verwaltungsbürokratie hängen. Und ob es dem Miteinander am Fachbereich und in der Uni insgesamt dienlich ist, wenn nur kleine effizienzverschlankte Klüngelrunden die Entscheidungen treffen, ist mehr als fraglich. Die nächste Novellierung des HHG steht auf der Tagesordnung, und sie verheißt nichts Gutes. Herr Minister Corts, Sie haben versagt.

Studiengebühren

Wer nun an diesen den meisten Anteil hatte – Regierungschef Roland Koch, sein Vasall Udo Corts oder der Mainstream der schwarz regierten Bundesländer – man weiß es nicht. Ich gehe an dieser Stelle nicht auf meine grundsätzliche Ablehnung von Studiengebühren ein – dies ist an anderer Stelle ausführlich geschehen (eine Linksammlung dazu findet sich z.B. hier).
Doch dass das hessische Studiengebührengesetz das im Entwurf bundesweit schärfste war, und auch im Endergebnis kaum besser ist, das hat der federführende Minister, sprich Udo Corts, zu verantworten. Gottlob sind – wohl maßgeblich aufgrund der vehementen Proteste – einige Unsäglichkeiten aus dem Gesetzesmachwerk wieder rausgeflogen, wie z.B. die deutlich erhöhten Gebühren für ausländische Studierende, die dafür nicht einmal einen Kredit erhalten sollten. Zu den Protesten noch ein Verweis auf mangelnde Cortssche Rechenkünste: Im FR-Interview sagt er, in Hessen gebe es 160.000 Studierende, davon demonstrierten weniger als ein Prozent. Wie lässt sich dies nun mit alleine in Marburg bei einer Demonstration 2006 ca. 4.000 Demonstrierenden vereinbaren? Man weiß es nicht…
Schließlich ist es für die Juristen Corts und Koch eine Peinlichkeit, dass sie versuchen, sich an der hessischen Verfassung vorbeizumogeln, die doch die Gebührenfreiheit ausdrücklich vorsieht. Ehrlicher wäre eine Verfassungsänderung per Volksentscheid gewesen. Doch da diese wahrscheinlich gescheitert wäre, was auch die beeindruckende Beteiligung der hessischen Bevölkerung an der Volksklage gegen das Studiengebührengesetz zeigt, bevorzugten die Herren die armselige Variante der absoluten Mehrheit im Landtag.
Von der Unfähigkeit des Ministers, die Gebühren in Diskussionen, in Interviews oder Radiogesprächen zu rechtfertigen, kann ich hier gar nicht berichten, denn eine angemessene Ausführlichkeit hierzu würde die Serverkapazität sprengen. Nur so viel: Herr Minister Corts, Sie haben versagt.

Bildungsland Nr. 1

Hier vorweg ein Zahlenspiel: Hessen liegt laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung bei den Finanzaufwendungen pro Studierendem am letzten Platz. Udo Corts trägt 2007 im Wissenschaftsministerranking, welches Jahr für Jahr deutsche Professoren ausführen, die rote Laterne mit der Traumnote 5,0 (zum Vergleich: im letzten Jahr bekam er noch eine 4,4). Na wenn das keine Korrelation ist, die keines weiteren Kommentars bedarf.
Halt!, werden jetzt einige sagen, die wissen, dass Corts gerade noch ein Heureka-Bauprogramm für die hessischen Hochschulen aus dem Hut gezaubert hat: Er macht doch was. Es wird auch höchste Zeit!, kann ich da (wie bei seinem Rücktritt) nur sagen, dümpeln doch gerade die mittel- und nordhessischen Universitäten seit Jahrenden vor sich hin. Gelder flossen fast ausnahmslos in die Uni der Cortsschen Heimatgefilde nach Frankfurt und in die Modellautonomie von Darmstadt. Und auch jetzt bekommt Südhessen die Sahnestücke ab, während beispielsweise die Marburger Chemiker, Juristen und PhilFakler sich mit regenbetropften Laboren, putzbröckelnden Hörsälen und unregulierbaren Heizbedingungen abfinden mussten uns wohl auch noch paar Jahre müssen, denn noch wurde kein Bagger gesichtet! Dezidierter: Die hessische Landesregierung hat ihre Hochschulen in den letzten Jahren verkommen lassen, und rühmt sich nun damit, mal was anzupacken, was alle seit Jahren fordern. Mit dem ständig landauf, landab vorgetragenen Sermon von Koch und Corts, Hessen sei Bildungsland Nummer eins, karikieren sich die Herren doch seit längerem selbst! Auch hier: Herr Minister Corts: Sie haben versagt.

Die seiner Verantwortung übertragenen Hochschulen haben diesen Minister nie wirklich interessiert, genau so wenig wie die Anliegen der Studierenden ihn je bewegt hätten. Seine Äußerung in der Landtagsdebatte zu den Studiengebühren, die Studierenden sollten doch einfach zwei Bier und eine Schachtel Zigaretten pro Tag weniger trinken bzw. rauchen, um die paar Gebührenkröten aufzubringen sprach für sich und gegen ihn.
Dass er in die Wirtschaft geht, ist der Wirtschaft nicht zu gönnen, doch können wenigstens die Hochschulen froh und glücklich sein, dass sie diesen unfähigen Minister los werden. Am besten wäre, er ginge sofort. Dies würde von politischem Anstand zeugen. Doch da ein solch aufrichtiger Abgang das Eingeständnis seines Versagens noch deutlicher unterstreichen würde als der scheinbar lautlose Abgang am Wahltag, muss die hessische Hochschullandschaft eben noch ein Jahr warten. Sei’s drum. Besser spät als nie.

Weitere Informationen zum Rücktritt des Hessischen Wissenschaftsministers Udo Corts:

Deutschlandfunk
Ein in Sachen Cortsscher Rhetorik Bände sprechendes Interview

Corts-Fanclub
Fanclub entsetzt: Corts will in eine Wirtschaft wechseln

uebergebuehr.de
Corts gibt Rückzug aus der Landespolitik bekannt – Fanclub entsetzt – Hessens Studierende jubeln frenetisch

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3 Kommentare

  1. Es ist vollbracht! Ich gebe offen und ehrlich zu, dass ich es nicht für möglich gehalten hätte. Doch in Hessen haben nun Tausende wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger der Landesregierung gezeigt, was sie von ihr halten – zumindest jedoch von ihrer Hoc

  2. Am Sonntag wählen die hessischen Wahlberechtigten einen neuen Landtag. Daraus, dass ich hoffe, dass die CDU-Landesregierung mit Pauken und Trompeten abgewählt wird, mache ich keinerlei Hehl – im Gegenteil.[Einen Beitrag zur Armseligkeit des CDU-Wahlkamp

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