ZEITige Empfehlungen

Es ist Wochenende – das erste seit langem, das ich in Gänze in Kopenhagen verbringe. Ich sitze am Rechner, lese E-Mails, korrekturlese eine Diplomarbeit, und womöglich komme ich auch noch dazu, einiges an Arbeit zu erledigen, stehen doch auf der Dringlichkeitsliste die Vorbereitungen eines Vortrags und von vier Vorlesungsstunden in Statistik ganz oben.

Doch nebenan ruft der Turm. Ja, über das Stadium des Haufens ist der Berg ungelesener ZEITen tatsächlich beinah schon hinaus. Insgesamt 15 Ausgaben jener Zeitung, deren wöchentliche Zusendung ich mir hier in Dänemark als bescheidenen Luxus erlaube, liegen wohlchronologisch geordnet auf meinem Wohnzimmertisch und rufen, jede Woche ein wenig lauter: "Lies uns, wir sind es inhaltlich wert und haben dich eine Menge Geld gekostet!"

In der Tat ist es schade, dass selbst einige Ausgaben vom April und Mai dieses Jahres noch unberührt dort vor sich hin schlummern, und dass ich bisher nicht einmal mit dem alleinigen Durchblättern zurande komme. Doch wegschmeißen kann ich die ZEIT auch nicht, zu viel Spannendes ginge mitsamt einigen Kilo Papier flöten, wenn sie einfach Eingang fänden in den Altpapiercontainer.

Nun, warum schreibe ich das hier eigentlich? Ganz einfach, um geschmeidig überzuleiten zu zwei Leseempfehlungen, die ich dann immerhin doch in den Ausgaben der letzten Wochen zu lesen die nötige Muße fand, und die meiner Ansicht eindrucksvolle Beispiele sind, einerseits für die Qualität dieser Wochenzeitung (auch wenn, und dieser Seitenhieb muss hier sein, die bildungspolitische Abteilung des Blattes nach meinem Empfinden eine deutlich zu neoliberale Schlagseite hat), andererseits für die bereits beschriebene Nichtentsorgung des Turms – zumindest so lange er ungelesen ist – spricht.

Bewegendes vom Altkanzler

Als erste Empfehlung sei auf ein Interview mit dem von mir verehrten Helmut Schmidt zum Deutschen Herbst verwiesen. Selten habe ich den Altkanzler so persönlich, so ausführlich, so deutlich auf Fragen zu seinem Handeln in der Zeit der Schleyer-Entführung antworten hören bzw. sehen. Dieses Gespräch kann man, wie ich finde, getrost als journalistisches Glanzstück zur deutschen Zeitgeschichte mit emotional-fesselndem Einschlag bei hohem Unterhaltungswert bezeichnen.

Das Interview findet sich im Dossier der ZEIT-Ausgabe Nr. 36 vom 30. August 2007 und ist hier online zu lesen.

Erstklassige Klassenstudie

Die zweite Empfehlung bezieht sich gleichfalls auf ein Dossier aus einer der letzten Ausgaben, welches den Titel "Von oben geht’s nach oben" trägt. Kerstin Kohlenberg und Wolfgang Uchatius schildern in ihrem außerordentlich lesenswerten Beitrag die Klassenschranken, die durch gesellschaftliche Tradierung, Selbstreproduktion, Kulturbarrieren und manch anderen Mechanismus die Schere zwischen so genannter Ober- und Unterschicht oder zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen lassen. Die Konsequenzen, die aus diesen scharfsichtigen Beobachtungen zu folgern sind, wären zweifellos einen eigenen Blogeintrag wert, aber hier spielt wiederum ein anderer Zeit-Faktor eine Rolle…

Das empfohlene Dossier ist hier online zu finden, erschienen ist es in der ZEIT-Ausgabe Nr. 35 vom 23. August 2007.

PS: Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich (bisher 🙂 ) in keiner Weise finanziell von den ZEIT-Empfehlungen profitiere.

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