Rückblick in den Sommer

Selbst mir fällt es schwer, auf diesem meinem Blog einen Eintrag der vergangenen Monate zu finden, der einem etwas höheren literarischen Anspruch zu genügen versucht und der mithin aus meiner eigenen Feder stammt, sieht man einmal vom letzten längeren hochschulpolitischen Artikel ab, der aber mithin nicht für dieses Online-Medium entstand, sondern dessen ureigene Bestimmung einem anderen Publikationsorgan vorbehalten war.

Somit will ich hier und heute versuchen, mit einem kleinen Rundumschlag die letzten Wochen zu durchforsten nach Dingen, die mir selbst von Wichtigkeit erschienen und gleichsam bei der geschätzten Leserschaft Interesse finden mögen – ein geraffter Rückblick der vergangenen beiden Monate gewissermaßen.

Die Wissenschaft rief mich Anfang August an die Westküste der Vereinigten Staaten. Und dem Ruf nach einer Woche Tagungsaufenthalt beim Jahrestreffen der Ecological Society of America, welches in Silicon Valley’s Zentrum, namentlich in San José, stattfand, folgte ich bereitwillig. Zumal eine Woche Urlaub im nahen San Francisco und im davon nördlich gelegenen Küstennaturpark „Point Reyes National Seashore Area“ die nicht ungern wahrgenommene Tagungsdienstpflicht attraktiv ergänzten. Welch Kontrast auf enger zeitlicher wie räumlicher Skala! Hier die Metropole: Den von Menschengetümmel und Konsumrausch zerberstenden Straßenschluchten der Metropole, entflieht man nur begrenzt in der zwar frischwindigen, doch nicht minder touristenbevölkerten Pierzone. Die Seelöwen des 39. Hafenanlegers bieten indes Sehenswertes, nicht minder die Läden Chinatowns, deren Obst- und Gemüseauslagen sich beinah tarnend türmen vor übelfischig riechenden Bergen von Haifischflossen, Hirschhörnern und allerlei weiteren Gruseligkeiten. Dort das Küstengebiet: Man platzt beinah vor frischem Atem am weiten und rauschenden Strand, wo massige Pelikane elegant ins Meer schießen, die Raubseeschwalbenküken, bald entwöhnt, krächzend nach der Mutter schreien, die Lummen sich vorm Steilhang tummeln und die Odinshühnchen durch die Bucht schwimmtänzeln. Nebelschwaden ziehen über die Priele, während die Ammer durchs Gebüsch dem Grassamen nachjagt und die Hirsche am grasigen Dünenhang dem Sonnenuntergang entgegenäsen. Wochen hätte ich es hier aushalten können, hätte nicht die Wissenschaft die Nebelküstenluft mit San Josés Großstadtsonne durchbrochen. Doch auch eine städtische Kontrastbeobachtung drängt sich hier auf, wenn man diese anscheinend am Reißbrett entworfene Innenstadt der Computerstadt mit dem wenn auch touristischen, so doch urig-urbanen San Francisco vergleicht. Inmitten der dreitausend Ökologen fanden sich nette Kollegen, mit deren Gesellschaft die Tagung – in Ergänzung zu zahlreichen anregenden Vorträgen – rasch und kurzweilig vorbeiging.

Das Kontrastprogramm setzte sich fort, wenn auch auf größerer räumlicher Skala: Hochzeit wurde gehalten von lieben Freunden im nördlichen Hessen. Idylle griff Platz allenthalben: Romantische Trauung in gemütlicher Kapelle, grandiose Talsperrenaussicht auf der Sektempfangsterrasse, rauschendes Fest in ehrwürdigen Burgmauern. Der Jetlag verbrachte mich zwar zwischenzeitlich beinah ins Tief von Morpheus’ Armen, doch tanzten wir dann bis spät in die Nach mit viel Rotwein, den man jedoch den Kellnerinnen nahezu abringen musste. Nächstentags stoppten wir kurz im Sonnenschein Marburgs, wonach ich wieder in die dänische Hauptstadt flog. Doch auch hier gab es keine Rast, stand doch ein ganzwöchiger Methodenkurs hohen Niveaus auf der Tagesordnung, untermalt mit einem täglichen Abendprogramm mit spanischen und mexikanischen Freundinnen sowie den Kollegen aus Mainz. Wilde Achterbahnen des famosen Tivoli wurden ebenso besiedelt von der Kursgruppe wie die Hippie-Reliktpopulation Christiania und die Oper im Park. Kultur allerorten also.

Wenige später stand die rheinische Bundesstadt auf dem Terminplan, wo die hochschulpolitischen Aktivitäten im Rahmen der Begehung eines Akkreditierungsverfahrens an der Bonner Alma mater begleitet wurden mit dem Treffen von Freunden und Kollegen.

Und kaum zwei Wochen später brachte mich der im Gegensatz zum unbequemen Abteil des Nachtzugs komfortable Liegewagen in den Westerwald zum Elternwochenende, wo Blumen im Garten, Frösche im Teich und Pflaumenkuchen in Sahne willkommene Heimatgefühle aufkommen ließen. Nahtlos schloss sich das nächste Ereignis im Wissenschaftssommer an das Altenkirchener Wochenende an. Die Gesellschaft für Ökologie hatte nach Marburg geladen, um ihre Jahrestagung zu veranstalten. Und wohin käme ich lieber als in das Städtchen, das mir als Student die Heimstatt war! Die Wissenschaft war ordentlich, die man geboten bekam, der öffentliche Vortrag des Solarpopulisten Franz Alt provozierte erfrischend bei richtiger, wichtiger Basisidee, und insbesondere die Kneipenkultur genoss ich in vollen Zügen. Und einmal mehr, gerade mit ein wenig Abstand, war ich umfangen von dem idyllischen Frieden, die diese Stadt auszustrahlen vermag. Im Sonnenschein an den Kiesbänken der Lahn, am Abend im früheren Mühlwerk, das nun das Havanna ist, in der Nacht auf dem Heimweg durch verschlungene Gassen, bei Torten und Kuchen auf der Vetterschen Terrasse, im Alten Botanischen Garten, zum Spiel mit Freunden. Wenn es mich dort noch einmal hin verschlägt, so hätte ich mitnichten etwas dagegen. Kunst gab es am folgenden Wochenende – am Abend zur Documenta ging ich mit fachkräftigen Kollegen, deren Zusammenarbeit ich während spannender Zeiten in der Marburger Hochschulpolitik schätzte. Gerne hätte ich zwar noch mehr von der großartigen zeitgenössischen Kunst gesehen, deren Ausstellungen wir zügig durchliefen, doch war ich auch zufrieden nach zweieinhalbstündigem Kunstgenuss, zumal gute Gespräche den Abend abrundeten. Morgens drauf kamen weitere Fachkräfte zum Frühstück, und am nächsten Tag genossen wir in großer Runde mit gar noch mehr Kolleginnen und Kollegen an der Lahn am Grün im Sonnenlicht ein fürstliches Frühstück, nicht ohne verzwickt politische Diskussionen. Bevor ich montags den Zug bestieg, stattete ich den Kollegen der Tierökologen noch einen Arbeitsbesuch ab, und das Mensaessen bot zwar Nostalgie, doch insgeheim eine gewisse Freude, dass die kulinarischen Fähigkeiten der Kopenhagener Mensaköche getrost als besser bezeichnet werden dürfen.

Ein kontrast- und erlebnisreicher Sommer geht zu Ende, und nicht minder aufregend geht es unaufhaltsam dem Herbst entgegen – mit dem Silberhochzeitsfest einer Cousine, welches in Ostfriesland stattfinden wird, mit dem Jubiläums des Landesjugendchores Rheinland-Pfalz, dessen Abschlusskonzert im Dom zu Mainz zu erleben sein wird, und mit Packen meiner Siebensachen zum Umzug nach Spanien, wo ich mich für bald eineinhalb Jahre dem dänischen Regen entziehen werde.
Was soll ich sagen: Es bleibt spannend, und ich freu’ mich drauf!

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