Altbackene Wissenschaft

…war heute mal angesagt, und zwar in Reinform. Der Coleopterologe (zu deutsch: Käferkundler) Roman Holynski aus Polen gab heute einen Vortrag zum Thema "Biogeographie der Prachtkäfer Südostasiens". Nun hätte das ein spannendes Thema werden können – Prachtkäfer (auf wissenschaftshochdeutsch Buprestidae) sind zum einen schließlich hübsch anzusehen, zum anderen ist für interessierte Menschen die Biogeographie der Inseln jener Region, die zumeist anhand von Säugetieren und v.a. Vögeln betrieben wird, kein unbeschriebenes Blatt (Stichwort: Wallace-Linie), und ein ergänzender Beitrag aus dem Reiche der Insekten ist hierzu hochwillkommen…

…Doch leider war der Vortrag an Verstaubtheit kaum zu überbieten. Der Vortragende sah schonmal gleich so aus wie aus einer Vitrine seines eigenen Museums entsprungen, aus der Abteilung "aussterbende Wissenschaftler": Fusseliger Bart, ca. 2 Meter Umfang in der Bauchmitte, just an diesem Punkte die Hose zusammenhängend, ein Hemd der polnischen Mode aus Jaruzelskis Zeiten, eine Hornbrille eines Kalibers, wie sie selbst Hans-Jochen Vogel nie getragen hätte. [Nichts übrigens an dieser Stelle gegen jenen SPD-Granden! – Im Gegenteil: Er gehört mithin zu einer leider gleichfalls aussterbenden Klasse uneingeschränkt zu respektierender Politiker! – Doch das gehört nicht hierher…] Dazu Sandalen.

Nun, die Powerpoint-Präsentation hätte er sich eigentlich schenken können – es war eine Aneinanderreihung zahlreicher Landkarten der südostasiatisch-australischen Region, mit vielen gestrichelten, gepünktelten, verdickten, genoppten, gezackten Linien und zumeist ohne Farbe. Die Marburger Ökologen mögen sich an den berüchtigen Vortrag von Herrn Malicky aus Lunz am See erinnert fühlen – nur gar so viele Karten waren es -gottlob!- nicht. Eine wirkliche Struktur im Vortrag war kaum zu erkennen, vage erschloss sich erst ungefähr nach dem 20. Bild seine Fragestellung. Methoden wurden nicht erläutert, genauso wenig wie die Datengrundlage. Immerhin, zwischen Folie 22 und 29 gab es den (zumindest farblichen) Höhepunkt der Präsentation: Ein paar wohl aus dem Internet kopierte bunte Kontinentalverschiebungsdarstellungen, eine Karte mit bunten Pfeilen, von wo die Prachtkäfer kommen, wo sie radiierten und wo es sie hinverschlug, und schließlich – der Knaller! – ein mit ausgereifter Filzstifttechnik handgemaltes Kladogramm der Buprestidenfamilie. Die Hauptaussage des Vortrags: Die Prachtkäfer (und wohl auch einige andere Insektenfamilien – man konnte auf den Karten nicht so genau erkennen, um welche Tierchen es sich nun genau handelt) sind nicht alle kontinentalen Ursprungs – viele Arten sind auf Inseln entstanden und sind erst später aufs Festland gekommen. Auf Fragen aus den Publikumsmassen (ca. 10 Personen), die teils einen Versuch der Synthese seiner Ausführungen unternahmen kam mehrfach die erstaunliche Antwort: "Das kann man so nicht sagen, das ist alles sehr kompliziert."

Nächste Woche werde ich an dieser Stelle meinen Einstandsvortrag geben. Hoffen wir, dass er besser wird als der heutige! Ich werde mir jedenfalls Mühe geben.

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1 Kommentar

  1. Und dich stellen sie dann nach deinem Vortrag als besonders gelungenes Exemplar des homo sapiens sapiens blogum scribens oecologicus politicus – oder war es politicus oecologicus? – in eine Vitrine im Naturkundlichen Museum, was?

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