Bombastisches und Bildliches

Dieser Eintrag gliedert sich in zwei Teile. Im ersten schildere ich ein grandioses Konzert des London Symphony Orchestra unter der Leitung seines Chefdirigenten Valery Gergiev, der zweite Teil zeigt bildliche Eindrücke der britischen Haupstadt.

Bombastisch

So könnte man das gestrige Konzert, welches ich mit meinem Kollegen Anders im Barbican Centre besuchte, mit einem Wort beschreiben. Wobei sich diese Beschreibung indessen nur auf den letzten und gleichsam üppigsten Teil der Veranstaltung bezieht. Als erstes Werk wurde Strawinskys “Les Noces” (“Die Hochzeit”) gegeben, welches, merkwürdig gleichsam in seiner Besetzung (4 Klaviere, Schlagwerk, kleiner Chor, Sologesangsquartett, Dirigent) wie auch in seiner harmonischen, melodischen und rhythmischen Ausgestaltung, mich nicht gerade vom Hocker riss. Dies änderte sich jedoch bald: Nach der Pause ging es verträumt-verspielt-virtuos weiter mit der Ersten Rhapsody für Klarinette von Claude Debussy.

Das Hauptwerk des Abends war schließlich die Kantate zum zwanzigsten Jubiläum der Oktoberrevolution von Sergei Prokofjew. Nur selten kommt dieses monumentale Stück zur Aufführung, nimmt es doch in der Besetzung gewaltige Ausmaße an: Zum großen und bereits üppig ausgestatteten Orchester (das Blech mit 9 Hörnern, 4 Trompeten, 4 Posaunen und 2 Tuben, im Schlagwerk schließlich alles, was man sich vorstellen kann) gesellt der Komponist eine weitere Blechbläserkapelle mit nochmals 2 Hörnern, mindestens 5 Trompeten, 2 Tenorhörnern und 2 Tuben, einen 100köpfigen Chor sowie kurioserweise ein Ensemble aus 5 Akkordeonisten. Wir erlebten somit ein seltenes Ereignis – dies liegt wohl neben den riesigen Ausmaßen des Klangkörpers auch am durchaus nicht unpolitischen Inhalt – schließlich bestehen die Texte beinah gänzlich aus einer Ode an den Kommunismus, mitsamt Auszügen aus der stalinschen Verfassungsrede von 1936. Doch abgesehen davon kann ich nur sagen: Es war ein musikalisches Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Valery Gergiev hatte all die Musikermassen unter perfekter Kontrolle und verstand es, ohne Taktstock, sondern mit seinen typischen, schier unglaublichen Handbewegungen, die einen gelegentlich glauben machen, er habe sich operativ mit Zusatzgelenken und Bewegungsoptionen ausstatten lassen, die Musikermassen durch den Notentext zu lotsen. Stundenlang könnte ich hier nun schreiben, wie perfekt die russische Deklamation des Chores (bestehend aus dem London Symphony Chorus und Mitgliedern des Marinsky-Chores aus St. Petersburg), wie nuancenreich die Dynamik und Klangfarbe des Orchesters, wie sauber das Blech, wie schmachtend-romantisch die Horngruppe im Unisono, wie durchdringend die Piccolos, wie pompös die Tambourine, Becken, Pauken und Trommeln waren. Lediglich die Akkordeonisten hatten es schwer, gingen sie doch, wenn sie auch sichtlich ihr Bestes gaben, in den unendlichen Weiten des Barbican-Konzertsaales ziemlich unter. Ich kann es nur nochmals sagen: Es war ein bombastisches, emotional anrührendes Musikerlebnis, das nach dem atemberaubenden Schlussakkord in einem Applaussturm mit nicht enden wollenden Bravo-Rufen überging. Ich hatte noch Minuten später Gänsehaut…

Pictures from London

Ein Spaziergang am heutigen Abend, beginnend beim Tower of London, endend bei St. Paul’s Cathedral, brachte einige bildliche Eindrücke hervor. In meinem London-Ordner auf fotouristen.de ist eine Auswahl derselben zu finden.

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