Soho


Eine Schilderung meines Besuchs in Londons ältestem Stadtteil.
[Bilder dazu finden sich in meinem London-Ordner auf fotouristen.de]

Bartnelken verwelken am Sims, während im zu groß bemessenen Windlichtbehältnis eine Kummerkerze vor sich hin dunkelt. Sicher bin ich in einem der ältesten Londoner Pubs gelandet. Im “Coach and Horses” steht auch noch der Pubgründer höchstselbst an der Bar, so versucht er sich zumindest zu geben, hat man beinahe den Eindruck. Wunderbare Biere in glänzenden Zapfhähnen strahlen in zahlreichen Kneipen bei aller Zünftigkeit des Gerstensafts eine vornehme Eleganz aus. Der Teppich gibt vor, zu versuchen, den Gast glauben machen zu wollen, man befinde sich im heimischen Wohnzimmer. Bilder gibt’s an der Wand, dezent, mit Cartoons und mit Fotos. Verschieden sind sie, die Leute, die am Tresen, am Fenster, am Tisch, auf dem Teppich sind. Der eine gleichsam in Anzug und Turban gekleidet, die andere außergewöhnlich zu tun versuchend, womöglich Sängerin, der nächste schlicht und bescheiden, und schließlich der Junge mit wahrscheinlich coolen Klamotten und Haarschnitt.

Derweil draußen die outchillende Londoner Feierabendgesellschaft wahrlich in noch größerer Vielfalt sich darstellt. Tee trinkend im kitschigen Kuchenhaus, vor sich ein verzuckert verzückendes Stückchen. Film drehend vor dem alten Backsteingemäuer, wo die Szene sich wohl nur dreht ums Steigen aus dem hochglanzpolierten Klassiker, der, wenn man ihn sichtet inmitten der neuen Nachahmungen im Taxiwald, wie eine ehrwürdige Persönlichkeit anmutet – als trifft man unter Hundertschaften von Camorons, Blairs und Browns den alten Churchill. Passanten einladend in die Clubs und die Sexshops. Werbend und sich aufs Äußerste präsentierend, die jungen Kerlchen, vor dem großen Haus, an dem in großen Lettern der “G-A-Y” leuchtet.

Auch die Esslokale sind gar so verschieden wie alles Leben in Soho.
Traditionsinder mit hübsch gemachtem Serviettenfächertisch,
schlichter Italiener in Weiß und mit Bioleks Pfeffermühle,
Vegetarorganiker im Korblook,
bluestylischer Sushijapaner mit kümmernden Fischen im Fenster,
Fish und Chips im maroden Altbackstil,
Ottonormalchinese in Holz und fast ohne Gäste,
Escargot-Franzose mit langweilig schwingendem Schriftbild,
und dann noch die blöden Ketten, welche überall uns nerven, auch wenn man sich reingesetzt hat – Starbucks, Subway, Pizza Hut, McDonalds, Nero, Burgerking.

Ein winziges Pärklein bietet ein wenig Ruhe. Einhalt. Grüne. Erholung.

Welch ein Kontrast ist dies doch zur lebhaften Rummelerotik, zum prostenden Pintvolk oder zur snobbishen Bistrosociety.

Spannend ist der Kontrast in der Tat hier in Soho, doch Camdentown ist schöner.

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