Kultureller Schlussdreiklang

Meinen zweiwöchigen Aufenthalt in London konnte ich – gewissermaßen in sinnvoller Ergänzung zu Wissenschaft und Statistik – mit einem höchst erfreulichen Schlussakkord abschließen in Oper, Theater und Museum.

Fidelio

Im Königlichen Opernhaus Covent Garden wurde am Donnerstagabend

Champag- nerglas- palast des Royal Opera House

Beethovens “Fidelio” gegeben. Als großer Fan von Beethovens Symphonik war ich gespannt auf seine einzige Oper, die mir bis auf die Ouvertüre gänzlich unbekannt war. Und was soll ich sagen – ich wurde sowohl von Beethoven als auch von den Akteuren dieser, einer der berühmtesten Opernbühne der Welt, restlos begeistert. Nun will ich gleich betonen, dass ich so bewandert in der Opernwelt nicht bin, und so bin ich gar nicht imstande, Fidelio in einen Vergleichskontext zu stellen mit Mozarts oder gar Wagners Opern oder denen der Italiener Verdi, Rossini oder Puccini. Somit ist also mein Eindruck ein rein subjektiver, der ihn mir nicht weniger Wert erscheinen lässt, an dieser Stelle geringfügig ausgeführt zu werden.

 

Der Chef des Hauses, Antonio Pappano, führte Orchester, Chor und Solisten souverän und mit energischem Schlag durch das Werk, und wenngleich der Kiekser beim Einsatz des Hornsolos in der Ouvertüre ein suboptimaler Start war, lieferte der Orchestergraben eine höchst solide Leistung – ohne dass das “solide” den üblichen negativen Beigeschmack haben soll! Als Chorsänger, der ich vor zehn Jahren in George Bizets “Carmen” mit dem Landesjugendchor und -orchester Rheinland-Pfalz selbst auf der Opernbühne stand, freut es mich natürlich nicht, wenn der Chor so spärlich eingesetzt ist wie in Beethovens Bühnenwerk, doch da zum einen der Komponist die Fähigkeit des Chores, im Zusammenspiel mit dem Orchester die Zuhörer wie kaum ein Solist musikalisch emotional zu durchdringen, in der Gefängnisszene wie im furiosen Schlussbild brilliant zum Einsatz brachte und zum anderen der Chor des Hauses sowie die externen Aufstocker einen fabelhaften Ohrenschmaus ablieferten, verzieh ich dies dem -bekanntlich ohnehin nicht sehr choraffinen- Beethoven gerne. Von den Solisten beeindruckte mich persönlich besonders der Bass von Eric Halvarsson, der als Kerkermeister Rocco auch schauspielerisch überzeugte. Roccos Tochter Marzelline verlieh Ailish Tynan ihren zuckersüßen Sopran – ein Gedicht! Doch auch die Hauptrolle der Leonore bzw. des Fidelio (wer hier eine Verwirrung im Genus dieser Dame bzw. dieses Herrn vermutet, der lasse sich vom Libretto oder von einer Zusammenfassung desselben in einem handelsüblichen Opernführer oder aus dem Internet auf die Sprünge helfen) war mit Karita Mattila hervorragend besetzt. Auch dem kultivierten, doch darob nicht weniger energischen Bariton Terje Stensvolds als Don Pizarro hätte man noch länger zuhören können. Sauber und mit höchst angenehmem Timbre, doch im Ganzen nach meinem Empfinden etwas leidenschaftslos gab Tenor Endrik Wottrich den Florestan. Doch ihm geht es in der Oper wie dem Chor: Hätte Beethoven ihm ein wenig mehr Raum gegeben, hätte er sich vielleicht mit (noch) mehr Engagement entfalten können. Dass übrigens die Inszenierung von Jürgen Flimm, mithin recht modern gehalten, inkonsistent und unlogisch sei, wie es das Londoner Magazin Timeout schrieb, kann ich durchaus nicht bestätigen. Doch fehlt mir dies zu beurteilen vielleicht wirklich mehr Opernerfahrung.

Nun, auch wenn ich noch viel mehr schreiben könnte, um diesem großartigen Abend und dem Stück, welches auch von politischer Hintergrundspannung strotzt, gerecht zu werden, so unterstreiche ich ausdrücklich, dass dieses von meinen bisherigen (wenigen) Opernerlebnissen z.B. in Bonn, Kassel, Frankfurt, Hamburg oder Wien, eines der herausragenden war.

 

 

A Midsummer Night’s Dream

Einmal in London, so muss man doch wenigstens einmal Shakespeare gesehen haben. Das habe ich mir zumindest am letzten Tag in der englischen Haupstadt gedacht, und gesagt getan, begab ich mich am Abend des vergangenen Freitags ins Open Air Theatre inmitten des Regent’s Park, um nicht nur den singenden Amseln, flötenden Mönchsgrasmücken und gurrenden Ringeltauben zu lauschen, sondern insbesondere dieser Komödie Shakespeares. Und wenn ich in oben zu lesender Opernbetrachtung bereits von einer gewissen Unkenntnis meinerseits im nämlichen Genre schrieb, so steh’ ich hier und kann nicht anders, als zur Kenntnis zu geben, dass sich meine Shakespeare-Kenntnisse gegen Null bewegen. In der Schule blieb mir im Oberstufen-Untergrundkurs Englisch die Lektüre jenes wohl Größten der englischen Autoren verwehrt, und auch im Theater bekam ich ihn bisher nicht zu Gesicht. Meine einzigen Kenntnisse zwei seiner Werke beschränken sich auf die immerhin wohl qualitativ nicht zum schlechtesten gehörenden Verfilmungen von “Viel Lärm um Nichts” mit Keneth Branagh und Emma Thompson und von “Romeo und Julia” mit der bezaubernden Claire Danes und dem jungen Leonardo DiCaprio. Nach solchen Lücken in Shakespeares Erlebnisrepertoire war es denn auch sicher nicht die schlechteste Entscheidung, mir als Originaleinstieg in Shakespeares Werkerfahrung den Sommernachtstraum gewählt zu haben, ist er doch ein leichtverdaulicher Stoff, der zu einem Sommerabend in Londons gepflegtestem Park passt. Nun ja, zum Sommerabend sei die Fußnote eingefügt, dass dieser ja nun schließlich in England stattfand, was ich unschwer daran erkennen konnte, dass nach dem Aussteigen aus der U-Bahn ein Schauer sich seinen Weg aus den Wolken bahnte, so dass ich bereits fürchtete, meine achtzehn Pfund für die letzte Reihe würden buchstäblich ins Wasser (ver)fallen, doch glücklicherweise sind Darsteller und Team DER englischen Freilichtbühne anderes gewohnt als ein paar Tropfen eines solchen Junischäuerleins, so dass die Aufführung im Regen startete, der aber dann zur Freude aller nach ca. zehn Minuten sein Ende fand.

Wie auch über den Opernabend tags zuvor ist es mir nicht möglich, ein böses Wort über dieses wunderbare Theatererlebnis zu verlieren. Es war ein Genuss der Extraklasse, die wunderbare Sprache Shakepeares gepaart mit der souveränen Leistung des Schauspielerensembles des Open Air Theatre zu erleben. Sicher, nicht jedes Wort war mir zu verstehen vergönnt, doch konnte ich dem Stück besser als gedacht folgen, und war es vor allem lustiger als ich es mir es vorgestellt hatte. Tränen musste ich mehrfach lachend verdrücken auf Grund der von den Schauspielern brilliant umgesetzten Komik Shakespeares. Wahrlich nachhaltig lehren die Spieler so den Rezipienten vor ihrer Leistung Respekt, gerade in den humorischen Szenen – hervorgehoben sei hier Ian Talbot, dessen Mimik und Gestik mir unübertrefflich schienen. Zu erwähnen sind noch der sonorige Schmelz in der Stimme des großartigen Mark Meadows (Theseus und den Oberon), Sam Alexander, der einen hervorragenden Lysander darstellte, und die ebenso komische wie nuancenreiche Hattie Ladbury als Helena.

Fazit: Meine Lust auf Shakespeare ist nach diesem wunderbaren Abend keinesfalls geringer geworden!

Tate Modern

 

Die Turbinen- halle, “Foyer” des Tate Modern

Mein letzter Tag in London komplettierte den kulturellen Dreiklang, nach Musik und Schauspiel, noch mit dem letzten wichtigen Teil der Künste: Der Bildenden Kunst. Das Tate Modern London ist laut Lonely Planet eines der meistbesuchtesten und bestausgetattetsten Kunstmuseen der Welt, und wenngleich doch einige solcher musealer Prachtexemplare in der Weltstadt London versammelt sind, so wählte ich mir das Tate Modern und verschaffte mir wenigstens für zwei Stunden einen oberflächlichen Eindruck. Und ich kann nur sagen, dass sich die im Reisführer angedeuteten Superlative durchaus bestätigen lassen. Sei es vom Umfang der Sammlung, sei es von der didaktischen Aufarbeitung oder sei es von der Lage am Ufer der Themse in einer ehemaligen Kraftwerksanlage. Obwohl ich wie gesagt nur für zwei Stunden einige schnelle Blicke in die Dauerausstellung tun konnte (die Dauerausstellung ist übrigens gratis, wie auch in allen anderen sich in öffentlicher Trägerschaft befindenden Museen Londons), so würde doch eine ausführliche Darstellung an dieser Stelle mehr als zu weit führen. Es seien daher nur fünf der Kunstwerke, die mir besonders gefielen, genannt:

  • Emil Nolde: Meer B
  • Germaine Richier: Beetles
  • Wols: Selection from Complete Set of Whole Edgings
  • Jannis Ronnellis: Untitled (1997)
  • Henry Moore: Three Points

Allen Londonbesuchern sei schließlich das Tate Modern allerwärmstens empfohlen, und besonders ein ausreichend großes Zeitfenster, was unbedingt mehr als bloß zwei Stunden öffnen sollte.

 

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