Spanische Ämter: Froh – rot – ermattet.

Endlich! Gestern war es so weit. Mein Termin war gekommen. Nein, es handelt sich nicht um eine Geburt, eine Operation oder eine Audienz beim spanischen König. Ich berichte hier von einem Termin im Generalkomissariat der spanischen Hauptstadt, namentlich in der Ausländerbehörde, den ich vor mehreren Monaten bekam, um meine Auslandsregistrierung und ebenso eine spanische Steuernummer zu erhalten (die Vorgeschichte ist HIER zu finden). Froh und glücklich fand ich mich also überpünktlich vor dem Komissiariatsbau ein. Und schon nahm das Elend seinen Lauf…

Ich bekam, wie erhofft, ohne langes Warten Einlass, erhielt dann am von einem orangepulloverten Herrn hintersessenen Anmeldungstisch ein Nümmerchen (C 077), das mir sogar sagte, dass sich noch elf Personen vor mir in die recht unbequeme Stuhlreihenwarteschleife gesellt hatten, und ich harrte der Dinge, die da kommen sollten. Es war inzwischen 13:21 Uhr, und ich schaute, grundsätzlich guter Dinge, wenn auch durst- und hungrig, zum siebenundzwanzigsten Mal die Unterlagen durch, die mir die Telefondame für eine erfolgreiche Registrierung zu besorgen aufgetragen hatte: Das sorgsam ausgefüllte Antragsformular EX 16, meinen Personalausweis (vorsichtshalber hatte ich natürlich auch meinen Reisepass bei mir – man kann ja nie wissen), den Überweisungsbestätigungsbogen Nr. 790, der nachweist, dass ich einige Tage zuvor am Bankschalter die Gebühr von 6,70 Euro entrichtet hatte, und, gleichfalls der Sicherheit halber, noch einige Passfotos in verschiedenem Format (man kann ja nie wissen).

Gegen 13:43 Uhr wurde ich denn nun also zum Schalter Nummer 8 gerufen, mein Name in der Terminliste zum dritten Mal abgehakt (nach Einlass und Nümmerchentisch), und da passierte es. Das erste, wonach die unterkühlte Dame fragte, war eine KOPIE meines Personalausweises. Wie bitte? Davon hatte mir keiner was gesagt! Zumindest nicht die besagte Telefontante, und auch nicht der orangene Heini an dem vor Formularen überquillenden Nummerntisch. Gut, ich hätte mir ja mal die Mühe machen können, in den spanisch kleingedruckten Anhang zu den im Internet nach mehrstündiger Suche aufzufindenden Antragsbögen hineinzulesen, aber sei’s drum, wir wollen ja hier keine Schuldursachenforschung betreiben, mir fehlt also diese dämliche Kopie.

Nun könnte man meinen, in einem so riesigen Behördenbau sei irgendwo ein Kopierer vorhanden. Mitnichten. "Nein, fragen sie mal draußen. Aber denken Sie dran, wir schließen um 2". Es war 13:48 Uhr. Der orangene Typ gab mir unverständlich Auskunft: Kopierer? Claro. Raus, paar mal links und paar mal rechts, Policia, Kopierer. Absichernd fragte ich den Einlasspolizisten noch einmal, der mir eine ähnlich unpräzise Beschreibung gab. Ich rannte also los, zuerst nach links, dann wieder nach links: Nichts. Zumindest nicht im entferntesten etwas, was nach einer Lokalität mit einer Fotokopiermaschine aussah. Zurück, die linke Straße weiter, da: Rechts war die "policia". Einer der dortigen Hauptwachtmeister schaute mich beim Begriff "fotocopia" leicht erstaunt an, gab mir aber wiederum einen diffusen Hinweis. Ich kam mir inzwischen vor wie bei der Schatzsuche an längst vergangenen Kindergeburtstagen – bei jeder Station bekommt man eine vage Andeutung auf die nächste Station. Also wieder raus, weitergerast. Ein Stückchen weiter gab es einen Fotoladen, doch der war, wie könnte es anders sein: geschlossen. 13:52 Uhr. Straße rauf, um die Ecke, wieder runter, vor einem Bus knapp über die Straße gehechtet, wieder zurück gehechtet – keinerlei Ahnung. Da: Eine Art Unigebäude mit Studenten davor – da muss es doch einen Kopierer geben! Drinnen an der Rezeption eine zwar freundliche Dame, die mir aber auch keinen Kopierer bieten konnte, mich aber bereitwillig auf den Fotoladen hinwies, welches Verschlossenheit mir aber ja bereits vorher schon zu entdecken beschert worden war.

Also nochmal die Straße rauf, 13:55 Uhr. Letzter Strohhalm: Eine Bankfiliale. Die Angestellte trug zwar ihr Lächeln hinter den Lippen, doch war sie bereit, mir eine Kopie zu machen. Dem Himmel (und der Dame) sei Dank. Ich hatte also das Objekt der Begierde! Aber o weh: 13:59 Uhr! Ich lief, was meine Beine trugen – wobei mein Wollwinterdress inzwischen schon längst dafür gesorgt hatte, dass mein Schädel die gleiche Farbe aufwies wie mein knallrotes T-shirt und der gleichfarbige Pullover.

Entsprechend abgehetzt kam ich um 14:03 Uhr wieder am Komissariat an, wo mich der Wartepolizist entweder gleich erkannte oder er angesichts meiner kaum zu beschreibenden Atemlosigkeit wahnsinniges Mitleid hatte – jedenfalls ließ er mich unumwunden wieder ein, genau wie der Vertreter der orangenen Revolution am Nummerntisch, der mir sogleich ein neues Nümmerchenzettelchen verpasste (C 086). Gott sei Dank. Ich kam noch dran. Dachte ich. Zunächst aber dachte ich eigentlich gar nichts, war aber glücklich, dass ich ca. 20 Minuten zum Ausschnaufen hatte, so dass mein Teint von dunkelrot über knallrot zu einer frisch-fröhlichen Färbung gefunden hatte. So fühlte er sich zumindest an.

Nach ca. 35 Minuten begann ich mir dann, inzwischen wieder zu einigermaßen klarem Denken fähig, Gedanken darüber zu machen, warum in dem Raum, wo vorhin alle C-Nummern bearbeitet wurden, nach und nach die Lichter ausgingen und die Damen mit ihren wichtigen Dokumenten, Butterbrotdosen und Wasserflaschen das Weite suchten. Egal, dachte ich, ich habe ja meine Nummer. Nachdenklich machte mich dann nach einigem Grübeln schließlich, dass seit eigentlich der gesamten Zeit, während der ich nun wieder hier saß, überhaupt keine C-Nummern aufgerufen worden waren, sondern nur E- und inzwischen nur noch T-Nummern. Ebenjene bekamen, so war ich unterdessen (da jeder, der reinkam, bei dem Oranjemann erstmal sein Herkunftsland vermelden musste) messerscharf zu kombinieren imstande, Antragssteller von außerhalb der Europäischen Union. Zwischenzeitlich hatte sich auch der orangene Nummernheld in den Feieraben verabschiedet und war von einem etwas beleibteren Kollegen, der aus Sicherheitsgründen (wie gesagt: man kann ja nie wissen!) vernünftigerweise eine neongelbe Polizeiwarnweste auch im Warteraum trug, ersetzt worden.

Gegen 14:50 Uhr begann an besagtem nun von jenem Warnmännchen verwalteten Tisch eine Diskussion, die von einer aufgebrachten Engländerin angezettelt worden war, die wohl auch seit Ewigkeiten auf ihr Drankommen wartete. Ich gesellte mich wegen einer gewissen dumpfen Ahnung hinzu und stellte fest, dass sie die Nummer C 87 hatte, also noch nach mir dran war. Das machte mich endgültig stutzig. Ich konnte den Worten der ziemlich ignoranten Signalboje grob entnehmen, dass wir ja wohl erst nach 14 Uhr gekommen seien und daher logischerweise nicht mehr an die Reihe kämen. Die Engländeren verstand kaum, also erklärte ich ihr die Sachlage und sie war der Verzweiflung nahe. Das sei nun das zweite Mal, dass ihr das passiere. Aus einem der Schalterzimmer kam nun doch noch eine der schaltenden und waltenden Damen (wobei angesichts ihres Erscheinungsbildes der Begriff Dame sich wohl eher nicht als passend erweist), die uns nochmals, immerhin erklärend auf die Sachlage hinwies: Die C-Schalter seien ab 14 Uhr dicht, wir seien nach 14 Uhr gekommen, daran sei nichts zu ändern. Darüber, dass sie nicht vielleicht selbst unsere Registrierungen kurzum hätte durchführen können, mich zu echauffieren erspare ich mir an dieser Stelle geflissentlich. Wir müssten uns also telefonisch um einen neuen Termin kümmern. Wie bitte? Nochmals zwei Monate warten, um dann diesen Saftladen hier abermals ertragen zu müssen? Nicht mit mir! Freundlich, aber flehentlich bestimmt wies ich sie darauf hin, dass es ja wohl nicht sein könne, dass wir von Mr. Orange eine Nummer bekommen, dann fast eine Stunde hier rumsitzen und schließlich gesagt bekommen, wir seien zu spät. Mit großmütiger Gestik, aber deutlich angenervtem Ton trug diese Schalterperson uns dann handschriftlich für den morgigen (also heutigen) Tag in die Terminliste ein, und ich ging ermattet meiner Wege. Dass ich dann zu Hause (ich hatte mich entschieden, nicht mehr ins Museum zu fahren, sondern stattdessen daheim zu arbeiten) noch einen mehrstündigen Stromausfall erleben durfte, war dann die gelungene Abrundung dieses besch…enen Tages.

Weitaus fröhlicher stimmt mich inzwischen die Tatsache, dass ich seit heute, 9:35 Uhr, im Besitz einer spanischen Steuernummer ("N.I.E.") bin. Innerhalb von 5 Minuten war, nachdem ich wieder am Mischfarbpullover vorbei war, der mich im übrigen noch erkannte und sich erinnerte, dass mir ja gestern eine Kopie gefehlt habe, die Sache erledigt. Endlich!

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4 Kommentare

    1. Danke für die Blumen – aber im vollen Bewusstsein dessen, was Du mir schon an horriblen Telekom-, Park- und Behördengeschichten aus der Rheinmetropole erzähltest, sage ich Dir: Hier ist’s schlimmer! 🙂

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