Krisengeschwafel

Das Politmenü der Woche: Inhaltliche Zeitverschwendung von stereotypem Unterhaltungswert, ganz leicht angewürzt mit sozialdemokratischem Progrämmchen und abgemischt unter nehmerisch aufmontiertem Unionsluftnummernschaum. So oder ähnlich könnte eine kulinarische Verwurstung der in dieser Woche zusammengebrutschelten Beiträge aus der öffentlich-rechtlichen Polittalkkombüse aussehen.

Seit kurzem und nach einigen Jahren wieder im Besitz eines Fernsehers, habe ich mir aus durchaus freien Stücken all das angetan, was Anne Will, Frank Plasberg und Maybrit Illner während der vergangenen sechs Abende aufzubieten hatten. Neue Fakten oder Hintergründe brachte das Ganze freilich keinerlei. Somit könnte man in der Tat von inhaltlicher Zeitverschwendung sprechen, bringt doch die Lektüre eines jeden Artikels aus der ZEIT oder von Spiegel oder gar heise online ein vielfaches an Erkenntnisgewinn. Und die Rhetorik des simplen Schwaben Volker Kauder  oder das Keifen um Rederecht des Gewerkschaftsbesens Ursula Engelen-Kefer, tragen mithin nicht zur Steigerung des Unterhaltungswerts der Veranstaltungen bei. Manches Statement entbehrte nichtsdestoweniger nicht einer gewissen Aussagekraft.

Schwach blieben beispielsweise die Argumente gegen die Anhebung des Spitzensteuersatzes, die von der SPD zur Finanzierung von mehr Bildungsgerechtigkeit vorgeschlagen wurde. Noch schwächer zeigte sich der JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder, der sich um die Frage, warum er denn gegen eine verminderte steuerliche Absetzbarkeit von Manager-Boni sei, relativ ungeschickt herumlavierte, da er dies nicht herausgegriffen aus einem komplexen Zusammenhang sehen wolle. Peinlich!

Peinlich gleichfalls, wie die Kaffeegräfin Stephanie von Pfuel grundlegende Zusammenhänge zu begreifen nicht in der Lage war. DGB-Chef Michael Sommer versuchte sie mehrfach darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Welt der Schlösser und Bälle (für die sie ihren "fein hergerichteten alten Kasten" zur Verfügung stellt) mit der Realität etwa von Hartz-IV-beziehenden Alleinerziehenden recht wenig zu tun hat. Dass sie aus ihrem Anwesen keine Sozialwohnungseinrichtung machen soll, sondern sich bloß einmal auf die Lebenswirklichkeit breiter Schichten der Bevölkerung einlassen, blieb der Dame offenbar bis zum Schluss verborgen. Ebenso wie so manchem Unternehmervertreter, von denen einer z.B. meinte, man könne doch anhand fortgesetzter Abwrackungen nicht der ganzen Bevölkerung fünf Autos vor die Tür stellen. Ein Leichtes war es da für Gregor Gysi, zu entgegnen, dass manch einer nicht ein mal vom ersten Gefährt zu träumen in der Lage ist! Festzuhalten ist da, dass nicht nur die soziale und materielle Schere in der Gesellschaft, sondern auch die Wahrnehmungsschere der verantwortlichen Protagonisten immer weiter klafft!

Karl Theodor von und zu Wirtschaftsminister und Guttenberg, Freiherr gelackten Haars und geleckter Rede, forderte angesichts der Prognose von sechs Prozent Wirtschaftseinbruch ein gerüttelt Maß Optimismus gemäß dem Motto „Stell Dir vor es ist Krise und keiner geht hin“. Na soll er mal fordern- solange in der Regierung Peer Steinbrück die Wirtschaftspolitik kompetent weiterbestimmt, kann man den Adelsminister ruhig weiter in Diskussionsrunden und auf Empfängen seine Krawatten präsentieren lassen, das richtet recht wenig Schaden an.

Einen Paradiesvogel gab es übrigens auch, und zwar in der Illnerschen Runde, was mein Ornithologenherz natürlich höher schlagen ließ. Stardesigner Luigi Colani begann zwar mit lautstarker, kaum ernst zu nehmender Phrasendrescherei über Banken, die ruhig in die Binsen gehen sollen. Doch dann versagte die Moderatorin, das Sinnvolle, was in seinen Beiträgen aufblitzte, gezielt herauszuarbeiten: Vor Jahrzehnten bereits habe er die Zukunft in sparsamen Kleinwagen gesehen, was von den Autobauern bis heute erfolgreich ignoriert worden sei. Zukunft solle man unterstützen, nicht Vergangenheit. Dass dies nicht weiter aufgegriffen wurde, ist das Verdienst des Rundenrests, der auf die Künstlermeinung sich einzulassen in keiner Weise bereit bzw. in der Lage war.

Drei Punkte als Fazit:

  1. Der fundierte Informationen Suchende wird in den Talkrunden der öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten, wie Georg Schramm sie so treffend beschrieb, kaum fündig.
  2. Die Unfähigkeit des Talketablissements, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und noch viel mehr hinauszuargumentieren oder gar hinauszuhandeln, ist frappierend.
  3. Dass in der Krise Zukunft Zukunft gefördert und Neues gedacht werden muss, blieb der übergroßen Mehrheit verborgen, welche in alten Rezepten gefangen blieb. Dass immerhin die Sozialdemokratie in mehr Bildungsgerechtigkeit investieren will, gibt einen Funken Hoffnung.

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