Förderungsfehler

Warum die Bundesregierung mit ihrem Stipendienprogramm auf dem falschen Dampfer ist

Der Bundesrat hat heute einem der Prestige-Objekte der Koalition grünes Licht gegeben: Nach anfänglichen gegenteiligen Signalen aus der Länderkammer haben sich die schwarzen Landesfürsten doch dazu breitschlagen lassen, dem nationalen Stipendienprogramm zuzustimmen.

Dass dies kurz vor einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse des Rates (die schwarz-gelbe Regierung aus NRW hat schon längst keine Parlamentsmehrheit mehr hinter sich, gibt aber trotzdem ihre sechs Stimmen für das umstrittene Projekt) geschieht, und nur nachdem die zuständige Ministerin mit reichlich Bundesgeld ihre Argumente unterfütterte, mag ein gewisses G’schmäckle darstellen, welches jedoch nicht vom grundsätzlichen Fehler ablenken soll: Das Stipendienprogramm ist nicht nur sozialpolitisch, sondern langfristig auch wirtschaftspolitisch falsch.

 

Das Programm sieht vor, leistungsfähigen Studierenden monatlich 300 Euro zu überweisen, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Mittelfristig soll so der Anteil der Stipendienbezieher auf bis zu zehn Prozent ansteigen (derzeit liegt er bei etwa zwei Prozent). Doch ist damit etwas gewonnen im Ringen um mehr Gerechtigkeit im Bildungssystem oder für die Förderung wissenschaftlicher Exzellenz? Wohl kaum. Tendenziell wird es so sein, dass die besonders “begabten” Studierenden aus materiell gut ausgestatteten Elternhäusern kommen; der verschwindende Anteil von Kindern sozial schwächerer Familien bei vielen der bereits etablierten Begabtenförderungswerke ließ bereits vor einigen Monaten zahlreiche bildungs- und sozialpolitische Alarmglocken schrillen. Somit ist zu erwarten, dass sich an den neuen Bundesfördertöpfen zuvorderst jene werden laben können, die es gar nicht nötig haben bzw. ohnehin auf den reichen Finanzsegen ihrer Elternhäuser bauen können. Diejenigen indes, die sich womöglich redlich mühen, aber etwa wegen der Notwendigkeit, neben dem Studium arbeiten zu müssen, nicht in die oberen Zehn- (oder Zweihundert-)tausend der Hochbegabten aufsteigen, dürfen jedoch auf die gleichfalls versprochene Erhöhung des BAföG zum Wintersemester weiter hoffen und harren, denn die hat der Bundesrat wegen Finanzierungsvorbehalten kurzerhand einkassiert. Soll heißen, frei nach Mt 13: Wer hat, dem wird gegeben, wer nichts hat, dem bleibt das, was er braucht, vorenthalten.

Dabei liegen für jeden, der zwei und zwei zusammenzählen kann, auch die wirtschaftspolitischen Implikationen dieser Fehlinvestitionen auf der Hand. Nachweislich sieht die Situation an den Hochschulen Deutschlands so aus, dass Sprösslinge aus materiell betuchteren Schichten eine vielfach höhere Chance auf ein Studium haben als Arbeiterkinder (von den Nachkommen der Generation Hartz wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst reden). Gleichzeitig rufen zahlreiche Experten unentwegt nach einer Erhöhung der Studierendenquoten und einem insgesamt besseren Bildungs- und Ausbildungsniveau – aus ganz profanem ökonomischem Interesse. Sollten jene Rufe jedoch ernst gemeint sein, so sollten sich die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft dringendst Wege einfallen lassen (und dafür die entsprechenden Mittel in die Hand nehmen), mehr “Unterschicht”-Kinder an die Universitäten zu bringen, denn das Teilnehmerpotential aus dem Kreise der Besserbemittelten ist nahezu ausgeschöpft.

Doch dieser Erkenntnis verschließt sich ganz offensichtlich die schwarz-gelbe Koalition in Berlin wie auch die Riege der Landesregierungen mit unions- und freidemokratischer Beteiligung. Sehenden Auges betreiben sie hierdurch eine Besitzstandswahrung bzw. –mehrung für die eigene Klientel, die, und so pathetisch muss man es ausdrücken, der guten Zukunft des Landes nicht zum Vorteil gereicht.

Ein Nachtrag persönlicher Natur sei mir gestattet: Manch eine(r) aus der geschätzten Leserschaft wird wissen, dass auch ich während meines Studiums von den Fördertöpfen des Bundes über den Kanal des Cusanuswerks profitiert habe. Doch bestehen meiner Ansicht nach zwischen dem nun aufgelegten nationalen Stipendienprogramm und der „klassischen“ Stipendienvergabe über die elf Begabtenförderungswerke zwei wichtige Unterschiede: Zum ersten ist der größte Teil der Werks-Stipendien abhängig vom Einkommen der Eltern und an die Höhe der BAföG-Sätze gekoppelt. Lediglich das Büchergeld in Höhe von (bisher) 80 Euro wird pauschal ausgezahlt. Zum zweiten begleiten die Werke ihre Stipendiaten mindestens mit einem freiwilligen, beim Cusanuswerk gar mit einem verpflichtenden, (nicht staatlich, sondern vom Träger finanzierten!) ideellen Förderprogramm, in dem entgegen vielfacher Vermutung ganz und gar nicht die Teilnehmerschaft auf Linie der jeweiligen Werksideologie gebracht werden (wobei ich hier freilich nur vom Bildungsprogramm sprechen kann, in dessen Genuss ich höchstselbst kam), sondern durch dessen Veranstaltungen sich das Leitmotiv zieht, die eröffneten Möglichkeiten und Chancen als Verantwortung zu begreifen, das Erfahrene in das Gemeinwesen zu re-investieren. Im Idealfall kann die staatliche und institutionelle Förderung somit eine nachhaltige Investition für die Gesellschaft darstellen – ein Ziel, das dem neuen nationalen Stipendienprogramm allem Anschein nach fehlt.

 

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