Faszinierende Parasitenparasiten

Jawohl Sie haben richtig gelesen. Es geht um Parasitenparasiten. Was das ist, wird sich im Rahmen dieses Eintrags hoffentlich gleich eröffnen. Es gab heute im Department einen absolut faszinierenden Vortrag über die Arbeit eines Wissenschaftlers des Centers for Social Evolution. Dr. David Hughes berichtete von seinem jüngsten Thailand-Aufenthalt, während dessen er vornehmlich ein besonders spannendes Parasiten-System beforscht hat. Dazu zunächst ein kleiner Exkurs.

Exkurs: Parasiten

Parasiten sind, populärwissenschaftlich ausgedrückt, Organismen, die von anderen Organismen (genannt Wirten) leben, und zwar zu Lasten ihrer Wirte. Bekannte Beispiele sind Flöhe auf Hunden, Bandwürmer in Schweinen oder Krätzmilben in Menschen. Ja, ekelhaft, aber wenn man Biologe ist, weiß man das wissenschaftlich-distanziert zu betrachten. Nun gibt es besondere Parasiten, die ihre Wirte zu ganz bestimmten Verhaltensweisen veranlassen. Der Kleine Leberegel zum Beispiel veranlasst die Ameise, in der er ein bestimmtes Stadium seines Lebenszyklus verbringt, dazu, wenn er gerne in sein nächstes Stadium überwechseln möchte, dass sie sich an der Spitze eines Grashalms festbeißt, so dass sie von einer Kuh oder einem Schaf aufgegessen wird. Denn der Leberegel will in seinem nächsten Lebensstadium in die Leber des Wiederkäuers gelangen. Hierzu modifiziert er das Gehirn und damit das Verhalten der Ameise.


David Hughes hat nun auch über Ameisen berichtet, doch zusätzlich nicht über Leberegel, sondern über Pilze. Es gibt nun also im südostasiatischen Regenwald parasitische Pilze, die in Ameisen leben. Ameisen sind bekanntlich soziale Insekten, doch wird eine Ameise einer bestimmten Art von einer bestimmten Art Pilz befallen, dann geht sie ihre eigenen Wege, marschiert den Baumstamm herunter, auf dem ihre Kolonie ansässig ist, und setzt sich am Waldboden auf ein Blatt und wartet dort, bis sie stirbt. Wenn sie gestorben ist und der Pilz sich fertig entwickelt hat, wächst aus dem Ameisenkopf der Fruchtkörper des Pilzes in Form eines Stängels und eines Köpfchens, aus dem die Sporen herausplatzen, mit denen sich der Pilz vermehrt (vergleichbar mit Samen von Pflanzen). Das ist ja an sich schon spannend, doch es geht noch weiter. Von dem Pilz, so haben die Kopenhagener Forscher herausgefunden, lebt eine Vielzahl von anderen Tieren. So fanden sie z.B. bestimmte Eier und Maden (welche sich als Gallmücken herausstellten, die aber noch nicht bis zur Art bestimmt, vielleicht auch noch nicht beschrieben sind) auf den toten, von Pilz bewachsenen Ameisen. Diese fressen den Pilz. Interessanterweise leben Gallmücken normalerweise in bzw. von Pflanzengewebe, so dass diese Art hier einen gewissen Wirtswechsel durchgemacht haben muss. Schließlich haben die Forscher auch noch entdeckt, dass von den Larven dieser den die Ameise befallenden Pilz verzehrenden Gallmücke wiederum bestimmt Schlupfwespen leben. Dies ist also eine vierstufige "Nahrungskaskade": Wespe frisst Mücke frisst Pilz frisst Ameise. Also Parasiten auf Parasiten auf Parasiten. Der Einfachheit halber habe ich das im Titel als Parasitenparasiten ausgedrückt. Wahrscheinlich handelt es sich pro Stufe oberhalb des Pilzes um verschiedene Arten, und es wurden außerdem noch Larven und Eier anderer Insekten gefunden, so dass es sich bei diesem "Tote-Ameise-Pilz"-System um einen Komplex von mehr als zwei Dutzend Arten handelt. Also wenn das nicht faszinierende Biologie ist, dann weiß ich es auch nicht.

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1 Kommentar

  1. Sag ich doch schon immer: Ameisen sind faszinierend. Jetzt ist noch Zeit, ein anderes Thema für Deine Doktorarbeit zu wählen (irgendetwas über Ameisen?).

    Die Cordyceps-Arten haben übrigens keine sehr enge Wirtsbindung, d.h. eine Pilzart kann mehr als eine Ameisenart befallen. Ich habe auch schon einige Male befallene Ameisen in Südamerika gefunden. Allerdings habe ich sie immer an recht exponierten Stellen (z.B. auf Sträuchern) und nicht am Boden gefunden. Für die Ausbreitung des Pilzes macht das auch Sinn.
    Es gibt übrigens auch ein tolles Video der BBC, auf der ein Cordyceps aus einer Ameise wächst:

    http://trophallaxis.blogspot.com/

    Ich bin noch nicht überzeugt, dass die Schlupfwespe und Gallmücke irgendeine spezifische Verbindung zu dem Pilz haben. Scheint mir reine Spekulation zu sein. Gibt es da weitere Lektüre?

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