Der Vogelwart erschließt sich die spanische Hauptstadt

Seite um Seite könnte ich schreiben über das, was mir in Madrid Tag für Tag zu erleben vergönnt ist. Doch statt eines zu langen chronologischen Sermons möchte ich mich heute auf zwei Highlights, die den gestrigen Abend und den heutigen Nachmittag beleuchten, beschränken. Sie befassen sich mit einem ausgedehnten Kneipenabend sowie interessanten Kontrasten auf kurzen Distanzen.

Kneipentour

Gegen sieben starteten wir zu einem den Arbeitstag feuchtfröhlich beendenden Kneipenabend. Zwei Kollegen und ich stießen zu drei bereits in einer Cervezeria nahe dem Museum sich aufhaltenden Kolleginnen, ansonsten war die Bar zu diesem Zeitpunkt recht leer, da auch ohnehin recht kleinräumlich bemessen, so im Ganzen. Ansprechend und dem Alkoholkonsum nicht gerade abträglich ist dreierlei: das Bier ist süffig und wird in kleinen Mengen (0,2 Liter) verabreicht, außerdem gibt es (zumindest in den ersten drei Stunden) unablässig Snacks, Mini-Tapas sozusagen, wie in der Schale (!) in einen Salzmantel eingebackene Erdnüsse, Chips, Mixed-Pickles-Spießchen, Oliven, Muscheln in Tomatencreme etc. Bei den Salzschalennüssen habe ich mir gottlob vorher angesehen, wie die Kollegen sie verzehrten, nämlich nach dem Schälen, sonst hätte ich glatt drauf rumgekaut, um dann festzustellen, dass da noch ‘ne Schale im Weg ist. Einem anderen Mittrinker ist übrigens just dies doch noch widerfahren. Übrigens gehören Erdnüsse zu den Leguminosen (Familie Fabaceae: Schmetterlingsblütler; auch als Hülsenfrüchte bekannt. Das Bier floss also reichlich, wir wurden mehr und mehr, erreichten nach ca. zwei Stunden einen Peak in der kollegialen Personenanzahl (ca. 15), und auch die Kneipe füllte sich bis zu einem recht ansehnlichen Ausmaß. Ein fester Kern von ca. 12 Personen blieb übrigens bis zum bitteren Ende, welches sich in besagter Bar zunächst gegen 2 Uhr abzuzeichnen schien. Dies begrüßte ich angesichts meines Alkoholisierungsgrades außerordentlich, doch nach einigen Gläsern Wasser und Cola und dem beredten Überzeugungsvermögen der Kolleginnen und Kollegen machten wir uns dann doch noch alle gemeinsam auf in eine andere Bar. Dort war es allerdings dann irgendwie nicht mehr so toll – zu voll, zu stickig, zu müde -, so dass wir und gegen 3:30 Uhr auf den Heimweg machten und ich um 4 glücklich ins Bett sank. Fest steht: Trinkfest sind die Spanier!

Kontrastreicher Stadtbummel

Den heutigen Nachmittag nutzte ich einmal mehr dazu, mir die Stadt zu erbummeln. Gestartet bin ich dazu im von mir bewohnten Stadtteil Malasaña, einem hippen Viertel mit zahlreichen Bars, Kneipen und Clubs. [Die Menschenmassen, die ich vergangene Nacht um 4 Uhr vor meiner Haustür antraf, haben mich übrigens schier umgehauen! Durchhaltevermögen haben die Spanier jedenfalls. Das äußert sich schon darin, dass, das sehe ich an meinen spanischen Mitbewohnern, man hier gegen 23 bis 0 Uhr langsam beginnt, zwecks abendlichen Ausgangs aufzubrechen.] Man sieht hier tagsüber den einen oder anderen Menschen, doch voll wird es in der Tat erst des nächtens. Was man indessen allüberall in großer Stückzahl antrifft, ist Hundescheiße, und zwar in den verschiedensten Ausführungen. Eine Bilddokumentation hierüber oder eine ausführliche Darstellung des Themas wäre angesichts der Omnipräsenz jener tierischen Hinterlassenschaften mal einen eigenen Blogeintrag wert.

Über ein paar verschlungene Gassen, in denen die Damen des ältesten Gewerbes aufgereiht waren, gelangte ich schließlich zur Gran Via. An dieser schier beeindruckend durchlaufenen und -fahrenen Straßenschlucht inmitten unendlicher Hochhausreihen, mit ihren Massen von Shoppern und Touristen, mit ihren Kinos und Theatern, mit H&Ms, Zaras und Benettons, mit Hotels und Schuhputzern, Flyerverteilern, Verkehrsstockungen, cool-sonnenbebrillten Snobs, eitlen alten spanischen Damen, bankbesitzenden Senioren (dies in zweierlei Sinne) lässt sich wie kaum irgend sonst der Weltstadtcharakter Madrids ablesen.

Geht man von der Plaza de Callao über die Calle de Preciados in Richtung Puerta del Sol, fühlt man sich durch den Maintstream-Shopping-Laden-Charakter doch sehr an die Zeil in Frankfurt oder die Kölner Hohestraße erinnert. Paarhundert Meter weiter, auf der Plaza del Oriente, ist Flanieren angesagt, Ausruhen auf Parkbänken, endlich mal ein wenig tulpige Farbe und sattes Grün zurechtgestutzter Buchsbaumhecken, café cortado zu Zweineunzig, die Oper zur Rechten, der Königspalast gegenüber. Wie im Urlaub!

Und wenn man dann noch ein bisschen mehr Grün, wenn auch nicht gerade weniger Menschen, so doch weniger Hundemist auf den Wegen, genießen möchte, geht man am Palacio Real vorbei über die Plaza de España zum Parque del Este. Hier kann man denn auch eine mittelgroße ägyptische Tempelanlage anlage besichtigen, die Spanien von Ägypten gestiftet wurde als Dankeschön für die Hilfe bei irgendwelchen Restaurierungsarbeiten in irgendwelchen Pyramiden oder so ähnlich. Dieser Tempel mit seinen Wasserflächen ist offenbar ein beliebtes Hintergrundmotiv für Hochzeitspaare, deren zwei man heute hier vorfinden konnte. Viele Liebespärchen tummelten sich übrigens auf den Rasenflächen und, teils sehr verschlungen, auf den Parkbänken. Es wird Frühling! Weiterhin gibt es noch eine schöne Aussicht auf Kathedrale und Palacio, sowie Schwanzmeisen.

Meine letzte Etappe – mit vorgelagertem kurzem U-Bahn-Trip – war der Weg vom Supermarkt an der Placa de Quevedo über die Calle Fuencarral nach Hause. Dies ist quasi eine Mischung aus Gran Via und Placa del Oriente: Ein breiter Flanierstreifen lädt ein zum entlangbummeln an netten Klamottenläden, Kinos und Restaurants. Hier ist weniger Hektik, gehobeneres Publikum und somit alles etwas entspannter.
Mein Fazit für heute: Hier bleibe ich länger.

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