Denn sie tun nicht, was sie wissen.

Aber warum?! – Weil selbst die klügsten Köpfe der Nation sich nicht einig darüber werden, wie das Richtige erreicht werden kann. So könnte das Fazit der Podiumsdiskussion “Warum fällt es uns so schwer, das Richtige zu tun?” aussehen, welche als Schluss-Highlight die Veranstaltungsreihe “Wie wollen wir leben?” des Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt (BiK-F) beendete. Mindestens von hohem Entertainmentwert war die Debatte, insbesondere die Beiträge von Hans Werner Sinn (München) und Harald Welzer (Essen).

An Wissen um die global drängenden Probleme mangelt es keinesfalls: Phänomene wie Klimaerwärmung, Ressourcenraubbau oder Artensterben sind im Bewusstsein der Bevölkerung inzwischen durchaus präsent, selbst die Verantwortungsträger in Gesellschaft und Politik haben die Themen auf der Agenda. Wie alldem Einhalt zu gebieten wäre, weiß man gleichfalls in recht umfänglichem Maße. Doch woran liegt es, dass dieses Wissen nicht in konkretes Handeln umgesetzt wird? Der Beantwortung dieser Frage widmete sich die professorale Runde aus dem Sozialpsychologen Harald Welzer vom Kulturwissenschaftiches Institut Essen, dem Ökonomen Hans Werner Sinn vom ifo-Institut München, der Biologin Anna Starzinski-Powitz von der Goethe-Universität Frankfurt und dem Soziologen Axel Franzen von der Universität Bern.

Während der Beitrag der Biologin – vorsichtig formuliert – marginal blieb und Soziologe Franzen trotz eines interessanten empirischen Anfangsimpulses zur “tragedy of the commons” in der Diskussion leider ebenfalls verblasste, glänzten die beiden anderen Diskutanten um so mehr, insbesondere mit einem herausragenden Unterhaltungsfaktor.

Harald Welzer stellte eindrücklich dar, dass unsere Einstellungen und Handlungen durchaus nichts miteinander zu tun haben müssen. Dies liege daran, dass unsere konkrete alltägliche Lebenswirklichkeit viel stärker unser Handeln bestimmt als das, was wir denken und wissen. Hierzu müssten wir die Umstände und Entwicklungen unserer gesellschaftlichen Zusammenhänge und Prägungen verstehen: Seit Jahrhunderten folgten wir dem Idealbild des Wachstums, und zwar ohne eine Reflexion über die Konsequenzen, z.B. hinsichtlich der hemmungs-, ja erbarmungslosen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Wenn wir uns dessen nicht bewusst werden, so Welzers These, und wenn wir uns nicht eingestehen, dass sich unsere Lebenswirklichkeit und –ideale ändern müssen, wird eine Lösung der globalen Umweltprobleme nicht gelingen.

Hans Werner Sinn hingegen vertrat die Ansicht, dass wir, z.B. im ökologischen Vorreiterland Deutschland, doch schon allerhand tun: Wir packen unsere Häuser ein und nageln Solarpanele auf die Dächer, tanken Biosprit und fahren Elektroautos. Doch vielmehr als unsere Gewissensbisse kurierten wir damit nicht, so Sinn. Denn was wir bei all den gutgemeinten Aktivitäten vergäßen, sei, dass es sich hierbei lediglich um nachfrageeinschränkende Maßnahmen handele. Doch das System funktioniere nunmal nicht ohne die Angebotsseite. Und das Angebot hätten eben die wirklichen Herren über das Klima unter Kontrolle – die Ölscheichs, die Kohlebarone, die Putinschen Gasoligarchen. Diese Klimaherren bestimmten, wieviel von was wann gefördert werde. Und unsere vergleichsweise lokale Verbrauchszügelung bringe gar nichts, wenn wir nicht sicherstellen könnten, dass das, was wir einsparen, nicht anderswo in die Luft geblasen wird.

Solange dieses ökonomische Prinzip von Angebot und Nachfrage, die sich über den Preis treffen, ignoriert werde, argumentierte Sinn, kämen wir etwa der Reduktion der Treibhausgase nicht näher. Folglich sei die Einführung eines globalen, umfassenden Emissionshandelssystems einer der wichtigsten Lösungsansätze. Harald Welzer widersprach dem vehement, und warf Hans Werner Sinn das Verharren in antiquierten Denkmustern vor. “Mit dem ökonomischen Wissen des 19. und 20. Jahrhunderts werden Sie die Probleme des 21. Jahrhunderts nicht lösen können”, so Welzer. Er plädierte für eine umfassende Analyse der kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen und Zusammenhänge und für ein grundsätzliches Umdenken in vielen Bereichen. Dies provozierte die Sinnsche Erwiderung, Welzer baue Wolkenkuckucksheime ohne konkrete Problemlösungsrelevanz.

Freilich kam die Runde zu keinem allseits befriedigenden Fazit – zu grundsätzlich schienen die Standpunkte der Wissenschaftler. Zwei mehr oder weniger übergeordnete Schlussfolgerungen liegen jedoch auf der Hand.

Einerseits ist das Werben für innovative Ansätze beim Lösen globaler Probleme zweifelsohne gerechtfertigt. Läge im derzeitigen Wirtschaftssystem die Lösung der Herausforderungen, wären wir wohl nicht da, wo wir heute stehen. Kurzfristiges Gewinnstreben mit Ressourcenraubbau, Naturzerstörung und dramatischen sozialen Problemen sind Auswüchse eines unregulierten Kapitalismus, dem auf Nachfrage- und Angebotsseite dringend Einhalt geboten werden muss – auch grundsätzlich hinterfragend im Welzerschen Sinne.

Andererseits ist jeder Lösungsansatz, der nur an einem kleinen, womöglich bloß lokalen Teilaspekt des Systems ansetzt, zum Scheitern verurteilt. Die vielfach empirisch dokumentierten Erkenntnisse über ökonomische Zusammenhänge, auch und vor allem auf globaler Ebene, sind unverzichtbare Voraussetzungen beim Lösen der immensen Herausforderungen, vor denen die Weltgemeinschaft steht. Ein Tor, der in wirtschaftlicher Ignoranz wolkenkuckucksheimliche Ideale zu bauen sucht!

Insofern ist dem Schlusswort des senckenbergischen Generaldirektors Prof. Volker Mosbrugger, “Es geht nicht ohne die Wissenschaft, es geht nicht ohne die Gesellschaft, es geht nicht ohne die Wirtschaft”, nichts hinzuzufügen.

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