Mobil im Tümpel

Libellen können fliegen. Diese Binsenweisheit sollte allgemein bekannt sein. Doch reichen die Flugkünste von Binsenjungfer, Blaupfeil und Plattbauch aus, um dem dräuenden Klimawandel auszuweichen? Dieser Frage bin ich in einer jüngst im Fachmagazin Biology Letters der Royal Society erschienenen Studie nachgegangen. Es stellte sich heraus, dass Libellenarten, deren Larven in Tümpeln und Teichen leben, mit dem Klimawandel besser zurechtkommen als ihre in Bächen und Flüssen lebenden Artgenossen. Für die Untersuchung, die das Resultat eines Kooperationsprojektes mit Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Dänemark, Spanien und Mexiko, hatten wir anhand von Artverbreitungsmodellen das tatsächliche und potenzielle Vorkommen europäischer Libellenarten in 2006 mit dem Jahr 1988 verglichen. Besonders freut mich freilich, dass nationale (z.B. die Frankfurter Rundschau) und internationale Medien (z.B. Science Daily) unsere Ergebnisse aufgegriffen haben.

Die Studie, welche in der Rohfassung bereits Teil meiner Doktorarbeit war, greift die Hypothese auf, dass die Stabilität des Lebensraums die Ausbreitungsfähigkeit der Arten, die an den jeweiligen Lebensraum angepasst sind, beeinflusst. Auf der Grundlage der Ideen von Ignacio Ribera und Kollegen hatte ich mich bereits zu meiner Zeit an der Philipps-Universität Marburg daran gemacht, diese Theorie zu testen. Süßwassersysteme eignen sich besonders gut für Untersuchungen auf diesem Gebiet, denn viele wasserbewohnende Tierarten sind auf einen ganz bestimmten Gewässertyp spezialisiert. Während etwa einige Libellenarten für ihre Larvenentwicklung ausschließlich an stehende Gewässer (Tümpel, Teiche und Seen) angepasst sind, sind andere auf Fließgewässer (Bäche, Flüsse) angewiesen. Weiterhin unterscheiden sich die beiden Gewässertypen in ihrer zeitlichen und räumlichen Stabilität: Stillgewässer wie Teiche und Tümpel verlanden und verschwinden damit als Lebensraum innerhalb kürzerer Zeiträume als Bäche oder Flüsse. Um dieses Problem zu kompensieren, sollten Tümpel- und Teich-Arten eine bessere Ausbreitungsfähigkeit entwickelt haben als ihre Fluss- und Bach-Verwandtschaft. In verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten haben wir, vor allem in Kooperation mit den Tierökologen der Uni Marburg, gezeigt, dass dieses Muster ein robustes ist: So haben etwa Stillgewässer-Arten durchschnittlich größere Verbreitungsgebiete und haben sich nach der letzten Eiszeit schneller wieder nach Mittel- und Nordeuropa ausgebreitet.

Was sagen uns diese Ergebnisse nun mit Blick der rasanten Veränderungen der klimatischen Verhältnisse und der natürlichen Lebensräume? Können die Arten dem Klimawandel folgen?

Angesichts ihrer Mobilität – Libellen erreichen Geschwindigkeiten bis zu 40 km pro Stunde und können innerhalb weniger Tage bis zu 1000 Kilometer weit fliegen – wurde bisher angenommen, dass Vierfleck, Smaragdlibelle und Moosjungfer dem Klimawandel durch Ausbreitung erfolgreich trotzen können. Da jedoch die Ausbreitungsfähigkeit von Libellenarten verschiedener Lebensräumen ganz offenbar unterschiedlich ist, kann man sie in Bezug auf Anpassung an klimatische Veränderungen nicht einfach über einen Kamm scheren.

Die Libellen-Studie ist eine Zusammenarbeit des Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt (BiK-F) mit der AG Tierökologie der Philipps-Universität Marburg, dem Center for Macroecology, Evolution and Climate der University of Copenhagen, dem Museo Nacional de Ciencias Naturales (CSIC), Madrid, und der Universidad Nacional Autónoma de Mexico.

Studie: Hof, C., Brändle, M., Dehling, D.M., Munguía, M., Brandl, R., Araújo, M.B. & Rahbek, C. (2012). Habitat stability affects dispersal and the ability to track climate change. Biology Letters. doi: 10.1098/rsbl.2012.0023

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