Klimawandel und Öko-Landbau: Wölfe bald in unseren Vorgärten?

HINWEIS: Wer das folgende liest, muss auch das hier lesen.

Seit etwa 12 Jahren leben wieder Wölfe in Deutschland – zuletzt wurde ein streunendes Tier im Westerwald gesichtet. Kein Grund zur Panik, so hieß es bisher, denn ihre heimliche, ja gar menschenscheue Lebensweise hielt die Wölfe bisher von menschlichen Siedlungen fern. Klimawandel und veränderte Lebensräume stellen jedoch eine Kombination von Faktoren dar, die womöglich auch das Verhalten der Raubtiere ändert. Und dies könnte in der Tat Anlass zur Sorge geben!

Die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland hielten Naturschutzverbände und Wissenschaftler bisher für eine höchst erfreuliche Entwicklung. Die jüngste Sichtung im Westerwald (nördliches Rheinland-Pfalz) zeigt die momentan starke Ausbreitungstendenz der hochmobilen Raubtiere (Tagesschau, FAZ und viele weitere nationale Medien berichteten). Ob diese Entwicklung auch weiterhin erfreulich verläuft, ist allerdings fraglich.

In drei vor kurzem in Nature, Biology Letters und Global Change Biology veröffentlichten Studien habe ich mich bekanntlich insbesondere mit den Auswirkungen von Klima- und Landnutzungswandel auf das Ausbreitungsverhalten verschiedener Tiergruppen beschäftigt. Und unsere Analysen belegen ganz klar, dass gerade diese beiden menschenverursachten Faktoren (veränderte Landnutzung und Klimawandel) massive Auswirkungen auf das Wander- und auch das Besiedlungsverhalten der Tiere zeigen.

Die Verbreitungsschwerpunkte des Wolfs in Europa liegen derzeit klar in eher östlichen und somit von kontinentalem Klima geprägten Regionen. Dies sind gleichzeitig Gebiete mit hohen Dichten potentieller Beutetiere (Rehwild, Hasen u.a.). Die Änderung des Klimas sowie die Ausweitung des ökologischen Landbaus gerade in Regionen, wo bisher viel Stall-Viehhaltung betrieben wird, befördert jedoch eindeutig die Ausbreitungstendenzen der Raubtiere ins westliche Europa und somit in dichter besiedelte Bereiche. Dies insofern, als Biobauern ihre Rinder und Schweine – mitsamt Kälbern und Ferkeln (welche optimal ins Beuteschema der Wölfe passen) zunehmend im Freiland halten. Daher sind Bio-Höfe wahre Anziehungspunkte für ehemals ausgerottete und sich nun wieder ausbreitende Großraubtiere.

Und Wolf, Luchs und Bär machen, wenn sie schon bis in die westdeutschen Landschaften vorgedrungen sind, auch vor Parks, Kleingartensiedlungen und schließlich Vorgärten nicht halt. Wenn die ersten Luchse beginnen, die Kaninchenställe in den Vorstadtsvorgärten leerzuräumen, das erste Wolfsrudel im Kölner Königsforst zwischen Spazierweg und Ausflugslokal sein Quartier bezieht, und die ersten Kindergartengruppen mit dem Bärchen kuscheln wollen, stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Zweifelsohne ist hier Eigeninitiative gefragt. Von emanzipierten Schafherden können wir dabei eine Menge lernen: Jeder sollte sein eigener Hirte sein – jeder sollte sich hüten! (So empfahl es übrigens schon der große Gesellschaftsanalytiker Heinz Erhardt.) Doch auch die Politik ist gefordert. Im Dialog mit Naturschutz, Wissenschaft, Landwirtschaft und Bevölkerung müssen tragfähige Lösungen gefunden werden, die dauerhaft das Zusammenleben von Tier und Mensch ermöglichen. Stuttgart 21 und der Frankfurter Flughafenausbau zeigen, dass ein frühzeitiges Einbeziehen aller Beteiligten sinnvoll ist. Dies trifft auch für die Problematik Klimawandel/Landnutzung/Großraubtiere zu: Wenn die ersten Kinderwagenhersteller mit Wolfsgittern werben, ist es zu spät!

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3 Kommentare

  1. Wie schön, dass man sich auf manche Traditionen einfach verlassen kann. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr und eine weitere amüsante Lektüre von Texten des Vogelwarts.

  2. Jeder, der den gestrigen Eintrag an dieser Stelle aufmerksam gelesen hat, sollte sich bewusst sein, welches Datum wir gestern schrieben. Ja, es war ein Aprilscherz.Dass freilich Gevatter Isegrim neulich im Westerwald gesichtet wurde, ist mithin keine En

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