Hochschulpolitische Innovationen

Drei Thesen zur aktuellen deutschen Hochschulpolitik

Dieser Beitrag ist ein leicht abgeänderter Auszug aus einem Artikel, der im August dieses Jahres als Bericht über die Fachtagung „Wer entscheidet, was neu ist? – Eliten und Innovation“ in der CusanerCorrespondenz, der Zeitschrift der Studierenden und Promovierenden im Cusanuswerk, erschienen ist. Jene Tagung fand im November 2006 in Berlin statt, und beleuchtete aus verschiedener Perspektive das Thema „Innovationen“ in Gesellschaft, Wissenschaft, Ethik und Politik.

Im tagungsabschließenden Plenarvortrag besprach Prof. Dr. Peter Funke, seineszeichens Althistoriker in Münster, Senatsmitglied der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Vorsitzender des Beirats des Cusanuswerks, dem auch ich für zwei Jahre als studentischer Vertreter angehörte, unter der Überschrift "Ein Klima für Innovationen" impulsartig einige Highlights deutscher Hochschulpolitik und Forschungsförderung. Letztere wird ja von der politischen Klasse nur allzu gerne als Innovationspolitik verstanden, somit und mithin als Brückenschlag zum akademischen Alltag der Tagungsteilnehmer war das Thema ein sinnvoller Schlusspunkt. Den zusammengerafften Referatsthesen versuche ich einige – u.a. durch die Funkeschen Ausführungen inspirierte – eigene Kommentare zuzufügen, die weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Objektivität erheben.

Wissenschaftliche Exzellenz gibt es auch außerhalb von Initiativ-Förderlinien und Profilbildungs-Leuchttürmen!

Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder bewegt. Und nicht nur Geld: Es werden neue Ideen in neuen Kooperationen zusammengebracht und -gedacht, teils von Forschern, die bis vor kurzem nicht einmal von der Existenz der Disziplin manches neuen Kooperationspartners wussten. Dies ist ein positiver Trend. Dass dieser Trend aber nicht wenige Hochschulrektoren und Wissenschaftsminister dazu treibt, nur noch in profilbildenden Leuchtturmkategorien zu denken, ist bedenklich. Führt dies doch dazu, dass der, der nicht ins Cluster passt, tendenziell einfach weggestrichen wird. Und da man ja möglichst autonom und entscheidungsstrukturverschlankt sein will, passiert das natürlich in der autonomen Entscheidungskompetenz der Hochschulpräsidien, ohne einen Blick auf die Nachbaruniversitäten oder –länder zu werfen, der föderalisierten Autonomie sei Dank. Doch gerade die Einzeldisziplinen ist oft exzellent, und ihre Förderungswürdigkeit ist keineswegs nur daran abzulesen, ob sie auch im Profilkonglomerat eines verclusterten Leuchtturms auf- bzw. unterzugehen imstande ist!

Forschungsförderung braucht Risikobereitschaft!

Landauf, landab wünschen sich die Wirtschaftsforschungsminister die schnellstmögliche Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnis in marktfähige, arbeitsplatzgenerierende Produkte. Nun steht es jedem Wissenschaftler frei, sich bei Unternehmen Drittmittel für Projektforschung einzuwerben. Doch erstens verbietet sich eine Einmischung der Geldgeber in die verfassungsverbriefte Freiheit öffentlicher Lehre und Forschung, zweitens ist es höchst fragwürdig, ob die Marktfähigkeit von Forschung voraussagbar und damit förderbar ist, und drittens soll die öffentliche Forschungsförderung sich gefälligst nicht am Markt, am Trend oder am Arbeitsplatz orientieren, sondern an disziplinärer Exzellenz und an ideengesteuerter Risikobereitschaft von Wissenschaftlern! Funkes Statement, die ausschließliche Förderung von Forschung mit schnellem Anwendungsbezug sei in letzter Konsequenz innovationshemmend und Förderinstitutionen wie die DFG müssten einen Ausgleich zum Profilbildungswahn bieten, ist nachdrücklich zu unterstreichen.

Deutschland geht fahrlässig mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs um.

Wie wahr, wie wahr – auch ich selbst bin ja ein solch vaterlandsloser Braindrain-Geselle. Dass das deutsche Hochschulsystem u.a. aufgrund der nur allzu häufigen Gängelung, Befristung, Lehrbelastung, Freiheitsentziehung und Unterbezahlung junger Wissenschaftler vielen anderen Ländern in der Anziehungskraft findiger Köpfe unterlegen ist, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Doch nicht genug damit. Die Heranbildung wissenschaftlichen Nachwuchses beginnt schließlich schon vor der Promotion und dem sich wacker haltenden Relikt der Habilitation. Drängt es sich bei obiger These nicht auf, hier auch – ganz beiläufig – die Frage nach Bildungsgerechtigkeit zu stellen? Kombiniert man einmal munter vier Forderungen bzw. Ziele aktueller Bildungspolitik zusammen, ergibt sich ein hübsch schizophrenes Bild: Alle jungen Talente fördern – Studiengebühren einführen; Bildungsgerechtigkeit erhöhen – Studiengebühren einführen; Studierendenzahlen steigern – Studiengebühren einführen. Leidenschaftliche Empörung und ausführliche Argumentationslinien erspare ich mir und den Lesern an dieser Stelle. Eine meiner eigenen Thesen, die ich lieber heute als morgen über Bord werfen würde, bleibt jedoch auch hier leider bestätigt: Im Sturm der deutschen Hochschulpolitik steht die Ignoranz der verantwortlichen Politiker wie ein Fels in der Brandung. Die von der Amtsbezeichnung her zuständige Bundesministerin ist inzwischen bildungspolitisch harmlos – dank ihrer selbst und der Kollegen, die den deutschen Bildungsflickenteppich im Webrahmen des Europäischen Hochschulraums anhand von Föderalismusreform und Hochschulautonomie zu perfektionieren wussten und immer noch wissen. Frau Schavans Ziel, Deutschland zur Talentschmiede zu machen, ist indessen ehrenwert. Nimmt sie sich selbst beim Wort, sollte es ihr ein leichtes sein, über die begrüßenswerte Erhöhung der Begabtenförderungsmittel hinaus, u.a. das BAföG endlich ordentlich aufzustocken, und (immer mehr) wissenschafts- und nicht marktorientierte Forschungsförderung zu finanzieren. Vor allem aber muss sie ihre Kollegen in den Landesfürstentümern und insbesondere deren Finanzminister überzeugen, dass diese endlich schnell und langfristig mehr Geld für Forschung und Lehre in die Hand nehmen sowie exzellenten Wissenschaftlern und denen, die es werden wollen, die Zukunft nicht verbauen, sondern eine solche ermöglichen! All das wären Beiträge zu einem (Vorsicht, Politmodephrasen!) Klimawandel für nachhaltige Innovation, zumindest aber zu einer besseren Wissenschaftspolitik.

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1 Kommentar

  1. Selbst mir fällt es schwer, auf diesem meinem Blog einen Eintrag der vergangenen Monate zu finden, der einem etwas höheren literarischen Anspruch zu genügen versucht und der mithin aus meiner eigenen Feder stammt, sieht man einmal vom letzten längeren h

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