Madrid – kühl und heiß

Ich bin in Madrid. Mit einigen Kopenhagener KollegInnen sowie unserem Chef haben wir uns heute auf den Weg in die spanische Hauptstadt gemacht, um morgen weiter in Richtung Protugal zu fahren, wo uns ein dreitägiger Workshop zum Thema "Geschichte und Zukunft" – in makroökologischer Hinsicht, versteht sich – erwartet.

Und wider Erwarten habe ich hier im Gästehaus des National Research Council Internet-Zugang, so dass ich ganz fix einen kleinen Blogeintrag zimmern kann.

Madrid ist eine andere Dimension als Kopenhagen, das merkt man gleich. Straßen riesigen Ausmaßes, gewaltige Hotelkomplexe, verschlungene U-Bahn-Schächte und dergleichen mehr zeigen, dass das hier eine der großen Metropolen Südeuropas ist. Das Wetter ist indessen kühl – sommerliche Frühlingsstimmung mag da, zumindest für die paar Stunden, die ich bisher hier bin, nicht so recht aufkommen. Doch dass die Nächte hier trotz der Kühle der Märznacht heiß sind, zeigt sich an den überschäumenden Tabernas und Bars, die wir im Zentrum passierten, auf dem Weg zu und zurückkehrend von der Tapas-Bar, wo wir, zusammen mit meinem Madrider Chef und zwei Kollegen aus Mexico, ein sehr nettes Abendessen einnehmen konnten. Soviel zu meinen ersten madrilenischen Eindrücken.

Wenn wir am kommenden Freitag aus Portugal zurückkommen, werde ich übrigens bis Anfang Juni zunächst hier meine Zelte aufschlagen. Zimmer habe ich zwar noch keines, aber im Sinne der hier an den Tag zu legenden mediterranen Gelassenheit wird sich das schon irgendwie ergeben. Zumal ich dank cusanischer Unterstützung die begründete Hoffnung habe, anzunehmen, dass sich bis zum nächsten Wochenende diesbezüglich was getan hat. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt…

Powerkurs für Anfänger

Hola! Mi nombre es Christian, y estudio Espanol. Trabajo en Kopenhagen, y soy un PhD-estudiante en la Universidad de Kopenhagen y en el Museo Nacional de Sciencas Naturales, Madrid. Kopenhagen está en el oeste de Danmark. Vivo en el calle "Dagmarsgade", una calle tranquilla y bonita.

Nein, ich studiere kein Spanisch, sondern ich lerne es (zumindest versuche ich es). Und es sind mit Sicherheit viele Fehler in diesem simplen Geschreibsel, aber als Beweis meiner Mühsal, die ich beim Erlernen einer neuen Sprache auf mich zu nehmen bereit sein muss (!?), soll dies euch allen ein Zeichen sein. Man fühlt sich gewissermaßen zurückversetzt in den Englischunterricht der fünften Klasse, zu Dave und Sally, nur sind diese in meinem PONS Selbstlern-Powerkurs nun Radiomoderator und "participantes" an einem Radioquiz. Wahlweise erinnere ich mich auch an die fakultativen Französischstunden in der Neun bei unserem durch und durch romanisierten Lateinlehrer Michael Comes, der seinen Französisch- so wie seinen Lateinunterricht zu geben beliebte, was dem Grammatikverständnis zwar zu-, dem Sprechvermögen aber eher abträglich war. Nun ja, bald werde ich keine andere Wahl haben, als mich zur Not mit Händen und Füßen in der spanischen Hauptstadt zurechtzufinden: Denn nach unserem Workshop in Portugal, der meine Madrider und Kopenhagener KollegInnen gemeinsam mit ein paar "großkopfigen" (so würde Papa Brändle sagen) Makroökologen, Modellierern und Biogeographen nächste Woche in einem Nationalpark an der Grenze zu Spanien zusammenführt (mit viel Zeit für Vogelbeobachtungen und get together, versteht sich), werde ich mich bis Mitte Juni in Madrid aufhalten.

In diesem Sinne: Hasta pronto!

Bischöflicher Lesestoff

Mal was anderes. Soeben habe ich meine Lektüre der ZEIT vom 8. März abgeschlossen. Dies hat zum einen so lange gedauert, weil ich am letzten Wochenende die ZEIT vom 1. März fertiggelesen habe, zum anderen, weil die Nr. 11 jener geschätzten Wochenzeitung (nein, ich bekomme keine Provision für Werbung) mal wieder voll war mit wichtigen und interessanten Artikeln, so dass ich ein einfaches Entsorgen nicht übers Herz bringen konnte. Viele der Texte erscheinen mir wert der breiten Öffentlichkeit nicht vorenthalten zu werden, doch einen möchte ich herausgreifen, passt er doch in die derzeit stattfindende Fastenzeit. So handelt also der Artikel von Patrik Schwarz "Wir sind dann mal weg!" von der Pilgerreise der deutschen Bischöfe ins Heilige Land, und er geht gottlob – sic! – in wohltuender Weise über die knalligen Schlagzeilen hinaus, die Tagesschau und co. über die Nahosttour der Exzellenzen und Eminenzen zu bieten hatten. Empfehlenswert!

Eintagessymposium

Gestern hatten wir im Center for Macroecology eine erweiterte Vorstellungsrunde. In unserem "One-day symposium" waren alle Mitglieder des Centers gefragt, ihre Arbeit vorzustellen. Leider konnten nicht alle Assoziierten, z.B. die aus Aarhus oder aus Grönland, da sein, doch auch so war ein sehr ansprechendes Programm zusammengekommen, das sich in drei Themeneinheiten gliederte: Macroecology, Little owl (zu deutsch: Steinkauz), Climate change und Sonstiges, wobei letztere Einheit in Ermangelung einer treffenderen Zusammenfassung die Überschrift "Big Science" erhielt.

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Bildhafter Nachtrag

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, von jeder Station meines viertägiges Deutschlandtrips einige Bilder zu machen, um der interessierten Öffentlichkeit auch einen visuellen Eindruck zu vermitteln. Leider habe ich dies verpennt. Doch wenigstens in der und um die Hohe Domkirche zu Köln habe ich ein paar Bilder geknipst – zu finden sind sie in meinem Deutschland-Ordner auf fotouristen.de.

Heimat, deine Sterne…

Nach einem Monat Kopenhagen war der Vogelwart für ein paar Tage in Deutschland unterwegs. Und für meinen hier nachzulesenden Bericht scheint mir der nostalgisch-verkitschte Titel durchaus berechtigt, denn angesichts des fantastischen Wetters bot sich mir am Samstagabend tatsächlich das Sternenzelt des heimatlichen Westerwaldes dar.

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Herzlichen Glückwunsch, Politik!

Heute ist Michael Naumann, Mitherausgeber der ZEIT und ehemaliger Kulturstaatsminister in der Regierung Schröder, zum Spitzenkandidaten der SPD für die nächstjährige Wahl zur Hamburger Bürgerschaft nominiert worden. Ich finde, das ist ein guter Tag für die Politik in Deutschland. Und ich beziehe das ausdrücklich nicht nur auf die alte Tante SPD, wenngleich es auch für sie ein Aufatmen bedeuten mag – schließlich hat doch ihr Hamburger Hickhack und so manches Chaos an anderer Örtlichkeit (Wiesbaden lässt grüßen) einen beinah an der Partei zweifeln lassen.

Doch dass sich in der Hansestadt ein gleichsam scharfsinniger Schreiber wie auch intellektueller Denker – mithin in der Politikpraxis nicht unbeflissen – für ein wichtiges politisches Amt zur Verfügung stellt, der sich nicht im Parteienmühlrad schon hat aufreiben (lassen) müssen, sondern stattdessen seine Gedanken der kritischen Analyse des Landes widmen konnte, das ist zweifelsohne ein Gewinn nicht nur für die Kulturpolitik, sondern vor allem für die politische Kultur in Deutschland! Studiert hat er übrigens u.a. in Marburg – was meine persönlichen Sympathien für ihn indes noch wachsen lässt.

Bleibt für heute zu hoffen, dass erstens Michael Naumann die Fallstricke der Kommunal-, Minimal-, Realpolitik nicht zu schnell (am besten gar nicht!) zu Boden bringen, dass zweitens Hamburg bald wieder rot(grün) regiert wird und dass drittens der Trend, verständigen Leuten auch ohne lange sozialdemokratische Ochsentouren oder christdemokratische Verbindungslinien den Weg in die erste Reihe der Politik zu eröffnen, anhält. Denn die Bestenauslese in der bzw. für die politische Klasse Deutschlands funktioniert oft, sagen wir, suboptimal. Dies hat ein ehemaliger Verfassungsschutzpräsident und Justizsenator mir gegenüber einmal geäußert. Und wenn ich auch in anderen Fragen durchaus nicht mit ihm einer Meinung war, so kann ich ihm in diesem Punkte beipflichten.

In diesem Sinne: Viel Glück, Herr Naumann!

Sightseeing bei Sonnenschein

Wenn ich auch eigentlich genug Arbeit habe für das Wochenende, die nach Erledigung schreit, so ließ mir der erste Sonnenschein nach ca. drei Wochen heute keine andere Wahl, als denselben zu genießen. Also schwang ich mich auf mein Radl und erkundete einige Sehenswürdigkeiten, die mir bisher verborgen geblieben waren, so unter anderem das Rosenborg Slot und die Lille Havfrue (Die kleine Meerjungfrau). Wer mehr Bilder sehen möchte, schaue in meinem Kopenhagen-Ordner bei den fotouristen nach.

Figaro auf Arabisch

Nørrebro, der Stadtteil Kopenhagens, in dem zu leben mir vergönnt ist und wo derzeit Nacht für Nacht die großen Straßenkrawalle stattfinden (gerade im Moment höre ich wieder den Polizeihubschrauber über dem Dach meiner Wohnung kreisen…), ist prinzipiell ein sehr lebhafter Stadtteil. Divers, so könnte man auch sagen, wenn man in makroökologischer Fachsprache zu sprechen versucht ist.

[Achtung, jetzt kommt ein längerer Einschub:
Eine gute Freundin, Frau S. aus E. im Ww., riet mir, bei meinen Einträgen doch vermehrt von Absätzen Gebrauch zu machen. Dieser konstruktiv kritischen Anmerkung komme ich doch hier gerne nach. Obgleich man – dies sei allen Kolleginnen und Kollegen der schreibenden oder bloggenden Zunft hier auch mitgegeben – keinesfalls einen Absatz nur aus einem Satz bestehen lassen sollte. Dies haben uns Ökologiestudenten die Herren Professoren dieses Faches in Marburg immerhin beibringen können.
Jetzt geht es weiter.]

Es gibt in Nørrebro nun also eine bunte Vielfalt von allem Möglichen. Nationalitäten, Berufstätigkeiten, Altersklassen und soziale Schichten auf der einen Seite und auf der anderen Seite Fressbuden, Cafés, Supermärkte, Fleischereien, Bäckereien, Elektroläden, Möbelgeschäfte, Ramschläden etc. weisen eine außerordentlich hohe Dichte wie auch Diversität auf. Zwei Arten von Gewerben jedoch sind hier, obgleich in ebenso hoher, wenn nicht gar höherer Abundanz vertreten, von ungemeiner Uniformität geprägt: Obst- bzw. Gemüseläden und Frisøre. An jeder Ecke wird man förmlich von Orangen, Zucchini und Mangos erschlagen, und zwischen all den Salatsorten und Petersilienbündeln findet man kaum den Eingang. Und jeder Laden hat das selbe Sortiment.

Die Frisørdichte sucht meines Erachtens weltweit ihresgleichen. Und wie die Gemüseläden sind sie fest in der Hand von Ausl… – nein, gemäß der schwierigen Gemengelage aus Antidiskriminierungsgesetz und Politikslangmainstream sagt man ja jetzt "Menschen mit Migrationshintergrund". Egal – ich bin ja auch ein Ausländer hier im Staate Dänemark. Wo waren wir bzw. war ich? Ach ja, beim Frisør. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Angesichts dessen, dass es für einen Haarschnitt mal wieder höchste Zeit wurde, suchte ich also einen arabischen Frisørsalon auf. Dies war ein Erlebnis, das ich doch hier nicht umhin komme ein wenig zu umschreiben.

Der von mir gewählte Salon ist voll mit wartenden Leuten. Auf den Wartebanken bzw. -stühlen sitzen diverse Familien mit Kindern verschiedener Altersklassen, eine junge Frau, drei Jüngelchen, die so gerne schon in der Pubertät wären, etwas weiter hinten in der coolen Ecke steht ein cooler Typ, der gleichsam wartet. "Original"-Dänen gibt es hier anscheinend nicht. Der Salon ist zweigeteilt: Wir sitzen in dem Bereich, den ich mal die "offene Abteilung" nenne, die Damen offenbar strengeren islamischen Glaubens mit verhüllter Haarpracht werden in die "geschlossene Abteilung" geleitet, die dem weiblichen Geschlecht vorbehalten ist. Am Übergang zwischen beiden Bereichen, der durch einen etwas vergammelten Vorhang markiert ist, steht ein Junge im Trainingsanzug, der so gerne aus der Pubertät raus wäre, der als Türsteher abgestellt ist, die Kasse bewacht oder den bereits eselsbeohrten Collegeblock beaufsichtigt, der wohl der Tagesbuchführung dient. Die vollkommene Teilnahmslosigkeit des Kerlchens ist indessen nicht zu überbieten – selbst als ein paar Kollegen (?) oder Schulkameraden (?) o.ä. reinkommen, um ihm kurz Hallo zu sagen, fällt es ihm schwer, eine Reaktion zu zeigen. Ich sitze also mich also auf der plüschigen, sehr tief liegenden Wartebank und warte. Neben mich setzt sich ein Typ mitsamt einer Tüte Milch und einer Flasche Sonnenblumenöl. Hierfür verlangt er beim "Teilnahmslosen" eine Plastiktüte, bekommt sie, befreit sie von Haaren und wickelt sein Zeug sehr sorgfältig darin ein. Woraufhin seine Frau (?) aus der geschlossenen Abteilung kommt, ihn sein Päckchen in eine weitere Plastiktüte stopfen lässt und mit ihm abdampft.
Auf den Behandlungsstühlen sitzen einerseits inzwischen die junge Frau, die ihr Haar ganz im Sinne Heinz Erhardts heute offen trägt und sich die Spitzen schneiden lässt, und andererseits immer noch ein junger Mann, der das Ganzkopf-Pflege-Programm gebucht hat. Dies beinhaltet: Haarschnitt, Haarwäsche, nochmal Haarwäsche, Geleinarbeitung [schwieriges Wort, was?], Rasur und Bartkürzung. Na dann nichts wie ab auf die Piste! Danach bin ich dran. Hilfe! Ich kann weder dänisch noch arabisch noch türkisch – also keine der drei Sprachen, die hier anscheinend gesprochen werden. Nun denn, der junge Friseurmeistergesellenheini, der mich zu bearbeiten gedenkt, versteht offenbar auch ein bisschen englisch: "Short, but not too short in the back and on the sides". Mal abgesehen davon, dass das grammatisch und vokabulär gesehen wahrscheinlich eh nicht korrekt ist, hat er m.E. eher verstanden: "Kurz, und besonders kurz hinten und an den Seiten." Nun ja. Insgesamt kann sich seine Arbeit aber durchaus sehen lassen, wie ich finde (nein, es gibt hier kein Foto des Machwerks zur Ansicht!). Da wurde ich in Altenkirchen schon schlechter frisiert, zumal für den Preis (100 DKK, was etwa 13,50 Euro entspricht)!

Mein Fazit: Ein günstiger Haarschnitt mit faszinierendem interkulturellem Begleitprogramm von hohem Unterhaltungswert.

Randale!

Fernseh- und Politiwagen.
Hoch ging es heute her im Kopenhagener Stadtteil Norrebro. Heute morgen hat die Polizei mit Spezialkräften, aus Hubschraubern kletternden Räumungskommandos und allerhand Mannschaftswagen das bekannte Jugendhaus “Ungdomshuset” geräumt, das wohl schon länger eine heftig umstrittene hier in der dänischen Hauptstadt war. Wer genaueres dazu wissen will, informiere sich hier. Das ganze begann heute morgen um 7:00 Uhr und zieht sich bis jetzt, vermutlich auch noch die ganze Nacht durch. Einige Eindrücke gibt es auf der Seite der dänischen Zeitung Politiken.
Und der Vogelwart ist mittendrin! Naja, nicht ganz – zum Glück. Aber ich wohne nur ein paar Blöcke weiter, und die Uni ist auch nicht fern. Überrascht war ich in der Tat heute morgen, als ich vor dem Department einen Streifenwagen sah. Der stand dann da den ganzen Tag. Warum? Die geschätzten Kolleginnen erzählten mir, er bewache das Kopfsteinpflaster, das quer durch den Park verlegt ist, so dass das keiner klaut, um Polizisten(helme) zu erschlagen. Ob das so stimmt? Keine Ahnung. Die drei Bilder hier auf der Seite geben das wieder, was ich gegen 21 Uhr – aus sicherem Abstand, versteht sich – vorgefunden habe.
Das ganze war aber dann doch gar nicht so spaßig wie es hier anmuten mag: Es gab Straßenschlachten, Verletzte, brennende Barrikaden, Inhaftierungen. Demo-Touristen gab es auch: Vor allem aus Deutschland reisten angeblich die entsprechenden Solidaritätsvölker an …

Wie dem auch sei. Krawalle scheinen mir nicht die richtige Antwort zu sein auf politische (Fehl-)Entscheidungen. Doch auch wenn ich mir bisher noch kein abschließendes Urteil über die Sachlage bilden konnte, so kann ich, auch nach einigen kurzen Gesprächen mit meinen Kollegen, angesichts der Gewalt, die, wenn auch in ihrem Ausmaße unberechtigt, doch sicher einen Grund hat, und mit Blick auf Stadtverwaltung, Politik und Polizei zumindest sagen: Da scheint mir was faul im Staate Dänemark!

Polizisten mit Gasmasken drücken sich in einer Ecke herum.

 

 

Dieses Bild ging daneben.