Nørrebro, der Stadtteil Kopenhagens, in dem zu leben mir vergönnt ist und wo derzeit Nacht für Nacht die großen Straßenkrawalle stattfinden (gerade im Moment höre ich wieder den Polizeihubschrauber über dem Dach meiner Wohnung kreisen…), ist prinzipiell ein sehr lebhafter Stadtteil. Divers, so könnte man auch sagen, wenn man in makroökologischer Fachsprache zu sprechen versucht ist.
[Achtung, jetzt kommt ein längerer Einschub:
Eine gute Freundin, Frau S. aus E. im Ww., riet mir, bei meinen Einträgen doch vermehrt von Absätzen Gebrauch zu machen. Dieser konstruktiv kritischen Anmerkung komme ich doch hier gerne nach. Obgleich man – dies sei allen Kolleginnen und Kollegen der schreibenden oder bloggenden Zunft hier auch mitgegeben – keinesfalls einen Absatz nur aus einem Satz bestehen lassen sollte. Dies haben uns Ökologiestudenten die Herren Professoren dieses Faches in Marburg immerhin beibringen können.
Jetzt geht es weiter.]
Es gibt in Nørrebro nun also eine bunte Vielfalt von allem Möglichen. Nationalitäten, Berufstätigkeiten, Altersklassen und soziale Schichten auf der einen Seite und auf der anderen Seite Fressbuden, Cafés, Supermärkte, Fleischereien, Bäckereien, Elektroläden, Möbelgeschäfte, Ramschläden etc. weisen eine außerordentlich hohe Dichte wie auch Diversität auf. Zwei Arten von Gewerben jedoch sind hier, obgleich in ebenso hoher, wenn nicht gar höherer Abundanz vertreten, von ungemeiner Uniformität geprägt: Obst- bzw. Gemüseläden und Frisøre. An jeder Ecke wird man förmlich von Orangen, Zucchini und Mangos erschlagen, und zwischen all den Salatsorten und Petersilienbündeln findet man kaum den Eingang. Und jeder Laden hat das selbe Sortiment.
Die Frisørdichte sucht meines Erachtens weltweit ihresgleichen. Und wie die Gemüseläden sind sie fest in der Hand von Ausl… – nein, gemäß der schwierigen Gemengelage aus Antidiskriminierungsgesetz und Politikslangmainstream sagt man ja jetzt "Menschen mit Migrationshintergrund". Egal – ich bin ja auch ein Ausländer hier im Staate Dänemark. Wo waren wir bzw. war ich? Ach ja, beim Frisør. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Angesichts dessen, dass es für einen Haarschnitt mal wieder höchste Zeit wurde, suchte ich also einen arabischen Frisørsalon auf. Dies war ein Erlebnis, das ich doch hier nicht umhin komme ein wenig zu umschreiben.
Der von mir gewählte Salon ist voll mit wartenden Leuten. Auf den Wartebanken bzw. -stühlen sitzen diverse Familien mit Kindern verschiedener Altersklassen, eine junge Frau, drei Jüngelchen, die so gerne schon in der Pubertät wären, etwas weiter hinten in der coolen Ecke steht ein cooler Typ, der gleichsam wartet. "Original"-Dänen gibt es hier anscheinend nicht. Der Salon ist zweigeteilt: Wir sitzen in dem Bereich, den ich mal die "offene Abteilung" nenne, die Damen offenbar strengeren islamischen Glaubens mit verhüllter Haarpracht werden in die "geschlossene Abteilung" geleitet, die dem weiblichen Geschlecht vorbehalten ist. Am Übergang zwischen beiden Bereichen, der durch einen etwas vergammelten Vorhang markiert ist, steht ein Junge im Trainingsanzug, der so gerne aus der Pubertät raus wäre, der als Türsteher abgestellt ist, die Kasse bewacht oder den bereits eselsbeohrten Collegeblock beaufsichtigt, der wohl der Tagesbuchführung dient. Die vollkommene Teilnahmslosigkeit des Kerlchens ist indessen nicht zu überbieten – selbst als ein paar Kollegen (?) oder Schulkameraden (?) o.ä. reinkommen, um ihm kurz Hallo zu sagen, fällt es ihm schwer, eine Reaktion zu zeigen. Ich sitze also mich also auf der plüschigen, sehr tief liegenden Wartebank und warte. Neben mich setzt sich ein Typ mitsamt einer Tüte Milch und einer Flasche Sonnenblumenöl. Hierfür verlangt er beim "Teilnahmslosen" eine Plastiktüte, bekommt sie, befreit sie von Haaren und wickelt sein Zeug sehr sorgfältig darin ein. Woraufhin seine Frau (?) aus der geschlossenen Abteilung kommt, ihn sein Päckchen in eine weitere Plastiktüte stopfen lässt und mit ihm abdampft.
Auf den Behandlungsstühlen sitzen einerseits inzwischen die junge Frau, die ihr Haar ganz im Sinne Heinz Erhardts heute offen trägt und sich die Spitzen schneiden lässt, und andererseits immer noch ein junger Mann, der das Ganzkopf-Pflege-Programm gebucht hat. Dies beinhaltet: Haarschnitt, Haarwäsche, nochmal Haarwäsche, Geleinarbeitung [schwieriges Wort, was?], Rasur und Bartkürzung. Na dann nichts wie ab auf die Piste! Danach bin ich dran. Hilfe! Ich kann weder dänisch noch arabisch noch türkisch – also keine der drei Sprachen, die hier anscheinend gesprochen werden. Nun denn, der junge Friseurmeistergesellenheini, der mich zu bearbeiten gedenkt, versteht offenbar auch ein bisschen englisch: "Short, but not too short in the back and on the sides". Mal abgesehen davon, dass das grammatisch und vokabulär gesehen wahrscheinlich eh nicht korrekt ist, hat er m.E. eher verstanden: "Kurz, und besonders kurz hinten und an den Seiten." Nun ja. Insgesamt kann sich seine Arbeit aber durchaus sehen lassen, wie ich finde (nein, es gibt hier kein Foto des Machwerks zur Ansicht!). Da wurde ich in Altenkirchen schon schlechter frisiert, zumal für den Preis (100 DKK, was etwa 13,50 Euro entspricht)!
Mein Fazit: Ein günstiger Haarschnitt mit faszinierendem interkulturellem Begleitprogramm von hohem Unterhaltungswert.